Bange machen gilt nicht?

Das politische Jahr 2016 ließ aufhorchen, auch wenn sich das Ergebnis erst 2017 so richtig entwickeln wird.

Trump for President, Erdogan goes Ausnahmezustand, AfD-Trend für Bundestag, IS-Terror, Abschottungsversuche und Fremdenfeindlichkeit.

Das journalistische Jahr 2016 ließ auch aufhorchen.

Trump erklärt den Journalisten den Krieg, Erdogan sorgt für die Gleichschaltung der Medien; Pegida und AfD-Anhänger skandieren Lügenpresse.

Das touristische Jahr 2016 ließ aufhorchen, auch wenn die Krise am Ende dann doch nicht ganz so groß geworden ist wie erwartet.

Es veränderte sich vieles. Nie war der Zustrom ins eigene Land so groß und die Reise in bestimmte Regionen so verhalten. Das reisejournalistische Jahr 2016 war geprägt von Existenzangst, Abhängigkeit und ratloser Zukunftssuche.

Einschüchterungsversuche und offene Feindschaft

Alle Symptome zeigen, dass Einschüchterungsversuche und offene Feindschaft über einen Berufsstand hereinbrechen, der, zumindest in einer demokratischen Gesellschaft, als vierte Gewalt gehandelt wird. Doch wie ist es um diese „vierte Macht“ bestellt? Wenn Hans Leyendecker im Magazin der Süddeutschen Zeitung schon vor acht Jahren schrieb, es gäbe immer noch eine Menge Journalisten, „die selbst im Kinderstühlchen am Tisch der Mächtigen Platz nehmen würden“, so trifft dies ein Problem unserer Branche.

Gerade wir Reisejournalisten kommen durch wirtschaftliche Abhängigkeiten bei der Recherche immer öfter in die Situation, bei den Mächtigen das Kinderstühlchen zugewiesen zu bekommen.

Während wir uns immer noch artig dafür bedanken, gehen manch Mächtige mit „Influencern“ gemeinsam einkaufen: Geld gegen positive Bilder und Minitexte. Instagram, Snapchat und Facebook leben hoch. Ein Reisejournalismus, der sich als vierte Gewalt versteht, kritisch hinterfragt und berichtet, wird gerne ignoriert, schlimmstenfalls sogar kalt gestellt. Da geht es uns nicht besser, als den„großen“ Kollegen aus der Politik.

Auch die VDRJ bekam das zur diesjährigen ITB zu spüren: Wer kritische Kollegen zu einer Podiumsdiskussion einlädt, darf nicht damit rechnen, dass sich die Branche an dieser Diskussion beteiligt.

Das ruft natürlich Fragen hervor:

  • Haben wir zu lange nach dem Mund geschrieben, weil Rechercheort oder -anlass „komforttechnisch“ so wundervoll waren?
  • Sind wir tatsächlich unkritisch geworden, weil die Recherchebasis das grundsätzliche Wohlwollen der Branche voraussetzt?
  • Sind wir letztlich die „abgehalfterten Infkuencer“ von gestern, die in Nicht-Journalisten ihren Meister gefunden haben?

Bestechlich sind wir nicht (oder nur in Maßen, wie überall). Das müssen wir auch nicht sein, denn wie sagte Kurt Tucholsky: „Der deutsche Journalist braucht nicht bestochen zu werden, er ist so stolz, eingeladen zu sein (…) er ist schon zufrieden, wie eine Macht behandelt zu werden.“

Die „Washington Post“ hat in den letzten Wochen verstärkt Recherchereporter eingestellt, denn nur Facts zählten in schwierigen Zeiten.

Reisejournalisten würde es letztlich schon helfen, wenn nicht auch noch der letzte kleine Etat von Medienverantwortlichen zusammengestrichen würde.

Und selbst wenn nicht:
Das lädierte Berufsbild lässt sich nur durch Recherche, Fakten und Qualität wieder aufbügeln.

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