Ist das Grund zur Freude oder Rückschritt? Die Auswahl der ausgezeichneten Beiträge war kompliziert.
von Rüdiger Edelmann
Es gibt Einreichungsjahrgänge, die sind kompliziert, weil sich die Sieger nicht wirklich aufs erste Zuhören aufdrängen. Eine Frage, mit der sich die Jury beschäftigen musste, war die nach dem Außergewöhnlichen, inhaltlich wie produktionstechnisch. Auch diesmal gab es 41 Einreichungen mit einer Gesamthördauer von knapp 20 Stunden. Auffällig: So richtig wollte sich nichts für die Auszeichnungen anbieten. Die Beiträge waren, bis auf wenige Ausnahmen, alle gut gemacht. Der Produktionsstandard war hoch, die Sprachumsetzung durchaus eingängig. Was fehlte war der Kick, den eine Jury in Begeisterungsstürme ausbrechen lässt. Auch unser Bewertungssystem der Vor-Jury gab, im Gegensatz zu sonst, keine wirklichen Trends. Selten waren die Spitzenpositionen so ungleich verteilt. Letztlich ergab sich doch eine Top 10, deutlich stärker als die weiteren 31 Einreichungen.
Die Uneinigkeit der Beurteilung
War es die Rückkehr zum Altbewährten? Wenn es um die Ziele ging, spielten zum Beispiel deutsche Reisen kaum mehr eine Rolle. Die zurückgekehrte Reisefreiheit animiert wieder zum Ausschwärmen in die Exotik, nachdem die Pandemiejahre den Zwang zur Nähe erzeugte.
Das war gut für besondere Inhalte, die jetzt wieder durch Nepal, Katar, das Nordkap oder zum x-ten Mal die Galapagos-Inseln ersetzt wurden.
Abkehr der Podcaster
Hatten die Einreichungen aus dem Podcast-Bereich in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, war das Angebot diesmal eher dünn. Dabei hatten wir dem Trend Rechnung getragen und diesmal einen originären Podcaster in die Jury geholt. Wir wollten damit auf den Boom der letzten Jahre reagieren und wurden quantitativ wie qualitativ enttäuscht. Deshalb mussten wir auch auf die Auszeichnung des besten Podcast-Beitrags verzichten.
Dies ist ein Aufruf an die Szene mitzumachen, denn nur dann lassen sich auch Podcasts auszeichnen.
Rückkehr der Nachhaltigkeit
Es war die Rückkehr eines wichtigen Themas, das von Lockdowns, Covid 19 und Krisen verdrängt worden war. Die Klimakrise und der Zwang zum notwendigen Wandel drängte sich endlich wieder auf und auch soziale Nachhaltigkeit spielt eine Rolle. Daraus wurde der Stoff aus dem diesmal die Auszeichnungsträume waren.
Gold
Die Antwort auf die Frage: „Kann man ohne Flugzeug quer durch Europa reisen?“ war uns Gold wert. In der journalistischen Bewertung gerade, weil der Autor nicht nur die Theorie des Flugverzichts dargestellt hat, sondern sie in der Praxis überprüfte. Das Fazit seiner Bahn- und Busreise von Hamburg nach Athen zeigt auch ganz deutlich, dass noch viel zu tun ist, wenn man ankommen will und nicht nur die Reise in den Abenteuermittelpunkt stellt.
Dreimal Silber
Ganz praktisch werden bei unseren Silber-Auszeichnungen auch Projekte vorgestellt, die schon erfolgreich sind, wie die Wiederbelebung eines Schweizer Bergtals, dem nicht nur die Touristen, sondern auch die Bewohner wegliefen. Fazit: Einfallsreichtum und ökologische Ideen werden belohnt.
Silber gibt es auch für einen Beitrag, der sich mit den sozialen Auswirkungen beschäftigt, wenn im Urlaubsparadies Bali wegen Covid-19 die Touristen völlig ausbleiben. Wir bekommen hier einige Antworten auf die Frage, was Tourismus nicht nur für die Weltwirtschaft, sondern insbesondere für die Menschen in Ferienzielen bedeutet und dass ein überlegter Neustart auch sozial wichtig ist.
Wenigstens ein Beitrag hat „Crazy-Potential“, ohne dabei völlig ausgeflippt zu sein. Bilder im Kopf entstehen an Lost Places, vergessenen Orten. Der Ausflug nach Buzludza in Bulgarien ist ein Paradebeispiel, wenn es um den Mut geht, Ziele vorzustellen, die nicht jeder auf dem Schirm hat.
Die Radiopreis Jury 2022
- Waia Stavrianos, (hr)
- Daniela Wiesler, (Deutsche Welle)
- Till Ottlitz (BR)
- Christoph Streicher, (Welttournee – der Reisepodcast)
- Rüdiger Edelmann, (deutsches-reiseradio.com) & Preisgeschäftsführung
Hinterlasse jetzt einen Kommentar