Was zerstört Tourismus und was leistet er? – Von Fluch und Segen für die Menschen auf der indonesischen Insel Bali während der Covid-Pandemie
von Rüdiger Edelmann
Massenhaft wurden die Menschen aus weltweiten Urlaubsparadiesen nach Hause geflogen. Im Frühjahr 2020 begann ein Stillstand, der sich nicht nur auf die hiesige Reiseindustrie ausgewirkte. Die Folgen in Urlaubsgebieten waren für die Menschen die dort vom Tourismus leben, wo andere Urlaub machen erheblich gravierender.
Autorin Sophie Anggawi hat genau das recherchiert. Ihr Beitrag für die „Weltzeit“ in Deutschlandfunk-Kultur bewegt sich zwischen Lust und Leid, den Tourismus gerade in Drittwelt- oder Schwellenländern verursacht. Als Extrembeispiel hat sie sich Bali herausgesucht. Im Jahr 2019 machten rund 6 Millionen ausländische Touristen dort Urlaub. Der Rückgang im Jahr 2021 auf exakt 45 Touristenankünfte sorgte für den wirtschaftlichen Totalzusammenbruch. Die Mehrzahl der Balinesen lebte bis dahin vom Tourismus. Dann war abrupt und unfreiwillig Zeit zum Nachdenken und zum Reflektieren. Denn alles war anders.
Mit der Tourismusdiskussion unterm Brennglas beschäftigt sich die Reportage. Die Autorin führt den Spannungsbogen von der Kolonialzeit in die Gegenwart, von den Auswüchsen (Ballermann für Australien) in das Nachdenken über Kultur, Religion und Philosophie. Sie berichtet hautnah und atmosphärisch unglaublich dicht über die Widersprüche, die gerade im Stillstand so richtig zu Tage traten.
Haben die Einwohner auch profitiert vom plötzlichen Zusammenbruch? Wie haben sie die Zeit überstanden? Was hat das Fehlen der Touristen mit ihrem Leben gemacht? Und was haben sie daraus gelernt?
Es ist eine dicht erzählte Kette von Schicksalen, misslungenen Rückzügen in die Landwirtschaft, finanziellem Scheitern mit Ferienhäusern, gegenseitiger Hilfe und Solidarität untereinander. Nachdenklichkeit und Denkanstößen für eine bessere Zukunft rücken Bali weit weg vom Klischee.
Ganz nebenbei gehört diese Geschichte zu den bestproduzierten Beiträgen des Wettbewerbs. Der Soundteppich ist einzigartig gut. Musik und O-Ton-Details wie das Blinkergeräusch eines Taxis verfolgen einen über Teile der Geschichte als dramaturgische Trenner. Eine Hintergrundgeschichte zieht einen dank einer detailverliebten Produktion tief in das Schicksal der Menschen auf einer Trauminsel des Tourismus. Dicht produziert und gerade deshalb gut zu hören.
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