Nun haben wir den politischen Salat! Das mag man anmerken, nach der Wahl des Vorsitzenden des Tourismusausschusses im Deutschen Bundestag. 18 Mitglieder aus allen vertretenen Parteien hat er. Die Wahl des Vorsitzenden war, nach dem Einspruch der Linken gegen den Kandidaten der AfD, notwendig geworden. Sie erfolgte mit 10 zu 2 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Die Linke hatte folgerichtig gegen Sebastian Münzenmaier gestimmt. Grüne und SPD enthielten sich der Stimme. Die Pro-Stimmen kamen von AfD, CDU und FDP. Jetzt steht Sebastian Münzenmaier dem Tourismusausschuss vor, der nach Definition des Deutschen Bundestags folgende Aufgabe hat:
Der Tourismus trägt damit entscheidend zum Bild Deutschlands in der Welt bei und ist als wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsmotor eine echte Zukunftsbranche. Der Tourismusausschuss spiegelt diese Bedeutung wider. Er setzt sich für gute touristische Rahmenbedingungen ein und macht sich für das rechtzeitige Erkennen und Vermarkten globaler Trends stark.“
Sebastian Münzenmaier tut auf seinem Facebook-Account kund:
Als Vorsitzender des Ausschusses möchte ich, über parteipolitische Grenzen hinweg, zum Wohle der Tourismusbranche und ihrer Beschäftigten wirken.
Auf dem Titelbild seines Accounts prangt einem die Schlagzeile „NEIN zu den Vereinigten Staaten von Europa – für ein freies Deutschland“ entgegen.
Könnte es sein, dass diese Schlagzeile dem „rechtzeitigen Erkennen und Vermarkten globaler Trends“ diametral entgegensteht?
Könnte es auch sein, dass eine solche Einstellung entscheidend negativ „zum Bild Deutschlands in der Welt“ beiträgt? Tourismus und Reisen sind ein globaler Wirtschaftsfaktor, die sich mit Reisebeschränkungen, Nationalismus und Intoleranz nicht vertragen.
Die Stellungnahmen des Deutschen Reiseverbands und des Deutschen Tourismusverbands zur Wahl sind eindeutig. Reinhard Meier, DTV-Präsident spricht von einer „Belastungsprobe für die Tourismuswirtschaft in Deutschland: „Die Branche steht für Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz. Der Deutsche Tourismusverband wird klare Kante zeigen, wenn diese Werte verletzt werden. Fremdenfeindlichkeit und Gastfreundschaft schließen sich aus“.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Aus meiner Sicht, als Journalist und Sprecher der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten, merke ich an, dass auch wir die Tätigkeit Sebastian Münzenmaiers und seine öffentlichen Äußerungen verfolgen und immer und sofort darauf hinweisen werden, wenn Weltoffenheit, Vielfalt, Toleranz verletzt und stattdessen Fremdenfeindlichkeit geäußert werden. Dies kann sich Deutschland, im Bewusstsein seiner immer noch vorhandenen historischen Hypothek, in der Welt nicht leisten. Es gibt nichts Fataleres, für das deutsche Image in der Welt, als nationalistisches Geplänkel. Hatten wir nicht, dank Kampagnen wie „Zu Gast bei Freunden“ und dem friedlichen globalen Fest einer Fußball-WM im Jahr 2006, gerade begonnen, das Bild vom „hässlichen Deutschen“ erfolgreich abzubauen? Seitdem trugen und tragen, ausländerfeindliche Übergriffe, Pegida & Co und letztlich auch die politischen Äußerungen der AfD dazu bei, all das wieder zunichte zu machen. Es muss ein hoffnungsloser Träumer sein, der davor die Augen verschließt.
Ich warne vor dem Einwand mancher Kollegen, die parlamentarische Realität werde das schon richten, ein Ausschussvorsitzender habe keine Macht.
Ich warne vor einer drohenden tektonischen Verschiebung der politischen Landschaft, angesichts eines Deutschlandtrends, der mit 18 % eine „sterbende“ Volkspartei SPD prognostiziert und die sogenannte „Alternative“ für Deutschland mit 14 % potentiellem Stimmenanteil ausweist.
Ich warne vor dem parlamentarischen Schmierentheater, das die AfD aufführt und deren Fraktionsvorsitzender, nach der „Aktion Hammelsprung“ von letzter Woche, erklärt, dies sei erst der Anfang und die AfD könne auch anders. Wenn Alexander Gauland dann noch betont: „Also Augen auf liebe Altparteien, jetzt spielen wir mit noch härteren Bandagen“, fällt mir zur Verharmlosung nichts mehr ein. Parlamentarisches Geplänkel, unverhohlene Drohungen inklusive, hatten wir auch in der Spätphase der „Weimarer Republik“. Damals machte eine „christliche Volkspartei“ namens „Zentrum“, mit der Zustimmung zu Hitlers Ermächtigungsgesetz, den parlamentarischen Weg der NSDAP frei in Richtung Diktatur.
Man mag trefflich darüber streiten, wer nun Schuld an der Misere ist. Man kann die Ursache in Volksparteien finden, die den Kontakt zu den Nöten der Menschen eines Landes verloren haben. Fest steht, dass Nationalismus und Abgrenzung nie gute Berater waren und es schon gar nicht sind, wenn Freiheit und Weltoffenheit, Toleranz und Demokratie auf dem Spiel stehen. Das manifestiert sich auch in der, vermeintlich so unpolitischen, Tourismuswirtschaft.
Journalisten haben eine Aufgabe und wir als Reisejournalisten dürfen uns da nicht ausschließen. Tourismus ist nicht nur Sommer, Sonne, Sand und Meer, sondern auch ganz große Politik.
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