„Betrug“ beim Buch – VDRJ-Erfahrungsumfrage

Foto: Rüdiger Edelmann

Vor geraumer Zeit haben wir innerhalb der VDRJ über die misslichen Vertrags- und Honorarbedingungen von deutschen Reisebuchverlagen diskutiert. Zeit die eingegangen Reaktionen zu sichten

von Rüdiger Edelmann

In unserem regelmäßigen Digitaltreff per Videokonferenz kam das Thema auf. Immer mehr Verlage bringen neue Bücher und Kompilationen heraus, die aus neuen Fotos aber uralten Texten bestehen. Völlig missachtet wird hierbei die journalistische Sorgfaltspflicht. Dies geschieht zulasten der Autor:innen.

  • Autorenleistung und Autorenruf werden durch nicht mehr relevante Texte absehbar geschädigt
  • Bei solchen „Neuerscheinungen“ gibt es in der Regel keinerlei Honorierung
  • Die Veröffentlichung geschieht ohne jede Absprache mit den Schreibenden.

Journalistische Rufschädigung

Eine gestartete Umfrage in unserem Mitgliederkreis brachte tatsächlich journalistische Abgründe zu Tage, die in der Regel durch juristische Absicherung des Verlags vertraglich völlig legal, wenngleich in der inhaltlichen Neugestaltung mehr als fragwürdig sind. Immer öfter ersetzen Verlage bei fällige Neuauflagen die ursprünglichen Autoren durch auftragsschreibende Redaktionsbüros, die per „kalter Recherche“ ein oft sehr fragwürdiges Neuprodukt erstellen. Dies sei, so eine Kollegin, sittenwidrig, denn ihr Name stünde, als Expertin für das Zielgebiet, nach wie vor im Buch, des Öfteren sogar mit Foto. Ein Honorar hat sie nicht erhalten, weil dieses durch eine vorangegangene Aktualisierung vertraglich bereits abgegolten war.

Finanzielle Autorenausbeutung

Foto: Rüdiger Edelmann

In einem Beispiel beschreibt eine weitere Kollegin, dass 22 Seiten eines Reiseführers ungefragt und nicht honoriert in einem anderen Buch übernommen wurden. Auf Nachfrage bei der Chefredaktion hieß es nur, dies sei rechtens, da die Autorin mit dem Vertrag sämtliche Rechte an den Verlag abgetreten habe. Diese Aussage wurde von einem Kollegen gestützt. Er schrieb, dass genau dieser Verlag seit Jahren Neuauflagen mit seinen alten – und damit honorarfreien – Texten herausbringe.

Ohne unreflektierte Verlagsschelte betreiben zu wollen, muss festgestellt werden, dass es sich dabei nicht um unseriöse Kleinstverlage handelt, sondern gerade die Großen am Markt solch eine fragwürdige Praxis anwenden.

Fragwürdige Vertragsbedingungen

Wer schreiben und veröffentlichen will ist auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Am Anfang steht der Vertrag und was dort festgelegt wird gilt, zumindest juristisch. Sittenwidrig aber legal spielt bei einem Konflikt selbstredend keine Rolle. Was sollen professionelle Reisejournalist:innen tun? Eventuell die Arbeit für die entsprechenden Verlage einstellen? Das wäre das materielle Aus für die meisten Schreibenden. Da nutzt es nichts, wenn VDRJ-Mitglieder vor der Zusammenarbeit mit durchaus renommierten Verlagen warnen. Die Big Player hatten es in den letzten beiden Jahren auch nicht leicht, trotzdem: die Gekniffenen sind am Ende die Autoren, deren Arbeit ohne Honorar doppelt und dreifach ausgebeutet wird.

Honorarfragen

Wie sieht es generell an der „Honorarfront“ aus? Unabhängig von den Honorarbedingungen konstatieren unsere Mitglieder, dass die Höhe gemessen am Zeitaufwand in der Regel immer zu gering ausfällt. Fast grundsätzlich werden die anfallenden Recherchezeiten nicht vom Verlag finanziert. Mitunter gibt es Vorschüsse von wenigen hundert Euros, die später mit den Verkäufen verrechnet werden. Eine Kollegin weist darauf hin, dass sie mit Schrecken auf die nächste Abrechnung ihres Verlags wartet, da sie damit rechnen muss, dass wegen schleppender, coronabedingter, Reisen, viel zu wenig Bücher abgesetzt wurden. Wird sie am Ende drauf zahlen, wenn der Vorschuss höher als die Provisionszahlung sein wird?

Das Provisionsmodell

Als Schreibender muss man sich meist grundsätzlich einem Provisionsmodell abfinden. Diese Provisionen liegen in der Regel zwischen 3 und 10 Prozent des Netto-Buchpreises.

Ausnahme gibt es auch. Mein Verlag zahlt zum Beispiel keinerlei Honorare, aber 12 Prozent des Netto-Verkaufspreises. Allerdings erwartet er dafür auch ein quasi fertiges Buch; heißt nicht nur die Texte, sondern auch die zahlreichen Fotos des Buches sind mit diesem Prozentsatz abgegolten. Da gerade kleinere Verlage zur Risikovermeidung mit kleinen Auflagen starten, gehen in der ersten Auflage maximal 2.000 – 3.000 Bücher an den Start. Inklusive aller Text- und Fotozulieferungen ist dann rund 1 Euro pro Buch zu verdienen. Klingt erträglich, allerdings sind dann noch alle Recherche- und Fahrt- und Übernachtungskosten abzuziehen. Zur Einordnung: Selbst bei einem regional überschaubaren Buchthema fallen gerne Fahrtkosten für 1.500 – 2.000 Kilometer an. Die Detailabrechnung ergibt einen Gewinn von meist nicht mehr als 1.700 Euro. Dies ist für schätzungsweise 2 Wochen Recherche und 4 Wochen Schreiben ein Tageshonorar von gut 40 Euro, das es dann noch zu versteuern gilt. Irgendwelche Fragen?

Das Festhonorarmodell

Andere Verlage arbeiten mit dem Modell Festhonorar. Was bei neu geschriebenen Büchern in Ordnung geht, kann tückisch werden, wenn sich das Buch gut verkauft und der Verlag den Großteil des Gewinns einsteckt. Schlecht ist ein Festhonorar auch bei einer Aktualisierung, an der die Autoren nicht mehr beteiligt werden.

Die Mischung wär‘s

Aus Autorensicht käme man mit einer Mischung aus Honorar zum Festpreis und einer prozentualen Verkaufsbeteiligung sicher auf einem guten Weg. Warum gibt es das, wenn überhaupt, so selten?

Foto: Rüdiger Edelmann

Betrübtes Fazit   

Bücher schreiben kann eine Herzensangelegenheit sein. Allerdings kann man damit seinen Lebensunterhalt nicht oder kaum noch bestreiten. Die folgende Äußerung einer Kollegin bringt es auf den Punkt:

Wenn das Buch für den Autor / die Autorin keine Herzensangelegenheit ist, würde ich inzwischen angesichts des enormen Aufwands mit geringem Honorar generell davon abraten, Reisebücher zu schreiben….

Ein Kollege warnt in seiner Stellungnahme explicit vor der Zusammenarbeit mit drei renommierten Verlagen. Um weder ihn, noch die VDRJ in juristische Schwierigkeiten zu bringen, behalte ich die Namen unter Verschluss. Werte Kolleg:innen können sie aber gerne beim Vorstand abrufen.

Gerne führen wir die Diskussion fort. Die Kommentarfunktion auf dieser Seite ist offen. Wir freuen uns auch über qualifizierte Stellungnahmen von Verlagen: Von denen, die es besser machen, aber auch von denen, die sich verteidigen wollen oder meinen, sich verteidigen zu müssen.

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