Der Profiblogger

VDRJ-Mitglied Johannes Klaus war schon in mehr als 75 Ländern unterwegs. Sein Arbeitsplatz ist die Welt. Im Interview mit der Deutschen Welle spricht der Profiblogger über sein Leben als Reiseblogger und gewährt einen Blick hinter die Kulissen eines Berufs, von dem so mancher träumt.

Vor einer Moschee in Isfahan, Iran. © Johannes Klaus

Der Moment, wenn der Jahresurlaub nicht mehr reicht: Für Johannes Klaus kommt er 2010. Er kündigt seinen Job als Grafikdesigner und geht auf eine 14-monatige Weltreise. Seine Eindrücke und Erlebnisse hält er für Freunde und Familie, aber auch für sich selbst, auf dem Blog Reisedepesche fest. Am Ende seiner Reise wird er dafür, für ihn völlig überraschend, mit einem Grimme Online Award ausgezeichnet – der Startschuss für sein neues Leben als Reiseblogger. Heute ist er Herausgeber der Reisedepeschen und des multimedialen Storytellingportals The Travel Episodes.

Deutsche Welle: Vier Wochen Thailand, zwei Monate Australien, drei Wochen Neuseeland und dann noch rüber nach L.A.: Immer mehr Menschen leben heute den Traum einer Weltreise. Aber nicht jeder macht das Reisen im Anschluss zu seinem Beruf. Warst Du einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort?

Johannes Klaus: Als ich 2011 den Grimme Preis gewonnen habe, fing es gerade an, dass nicht nur Journalisten, sondern ab und zu auch Blogger von Tourismusverbänden oder einer Destination zu Pressereisen eingeladen wurden, um hinterher über das Erlebte zu schreiben. Bei diesen Gruppenreisen stehen meist touristische Highlights und vom Veranstalter vorab ausgesuchte Ziele auf dem Programm. Besonders viel Zeit für eigene Erlebnisse bleibt da leider nicht. Trotzdem fand ich den Einblick in die Branche damals unglaublich spannend. Oft war ich der einzige Blogger unter lauter Reisejournalisten. Umgekehrt hat meine Anwesenheit manche Journalisten mitunter irritiert.

Wieso das?

Auf spannende Pressereisen eingeladen zu werden, ist auch für Reisejournalisten ein Privileg. Und jetzt machen ihnen auch noch die Blogger die Plätze streitig (lacht). Doch mittlerweile hat man sich aneinander gewöhnt.

Unterschied zwischen Bloggern und Journalisten

Was ist denn der Unterschied zwischen Reisebloggen und Reisejournalismus?

Für mich ist ein Reiseblog eher ein Erzählen über persönliche Erlebnisse. Es geht um mehr als reine Fakten über den jeweiligen Ort. Ich möchte die Leser mitnehmen und sie möglichst nah an mich und meine Reiseeindrücke heranlassen.

Und davon kann man leben?

Man muss hierbei unterscheiden zwischen Marketing und Journalismus. Eine überschaubare Anzahl von Reisebloggern lässt sich für ihre Arbeit bezahlen, das sind dann Online-Marketing-Aktionen. Für andere ergeben sich eher Folgeaufträge durch das Reisen – beispielsweise die Erstellung von Beiträgen und Videos direkt für die Website eines Reiseveranstalters. Ich habe mich mit anderen Bloggern zum Reiseblogger Kollektiv zusammengeschlossen, denn so können wir unseren Partnern ganz unterschiedliche Themen anbieten. Meine Artikel schreibe ich oft erst nach der Reise: Zwei Drittel des Jahres verbringe ich zu Hause und arbeite das Erlebte quasi rückblickend ab.

Reist Du als Blogger anders als wenn Du privat unterwegs bist? 

Eigentlich nicht. Ich reise nie mit dem Fokus ‚ich fahre jetzt dahin, weil ich darüber berichten will‘, sondern ich mache das, was mich vor Ort spontan interessiert. Die fertige Geschichte habe ich vorher nicht im Kopf und auch nicht großartig recherchiert. Oft verzichte ich bewusst auf die kulturellen Highlights aus dem Reiseführer und lasse mir stattdessen viel Zeit, alles auf eigene Faust zu entdecken.

Wenn Du auf Reisen geschäftlich eingeladen wirst, ist Deine Meinung dann nicht automatisch käuflich?

Eingeladen zu werden ist die Grundlage, die Voraussetzung für meine Arbeit: Wenn meine Reisekosten gedeckt sind, kann ich mir einen Ort anschauen, dort etwas erleben und anschließend darüber schreiben. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich hinterher einen Werbeartikel über das jeweilige Reiseziel schreibe. Mir ist trotzdem wichtig, dass die Leser wissen, dass – und von wem – ich eingeladen wurde. Indem ich transparent mache, gebe ich meinen Lesern die Möglichkeit, die Inhalte selbst einzuordnen und einzuschätzen. Dieses Prinzip habe ich zusammen mit einigen anderen Reisebloggern 2013 auch im Reiseblogger Kodex festgeschrieben, um gewisse Standards für unser Berufsfeld zu schaffen. Als Unterzeichner des Kodex behalte mir als Autor die Freiheit vor, im Zweifel auch Kritik anzubringen – selbst wenn ich zu einer Reise eingeladen wurde.

Profiblogger mit Grimmepreis

Mit der Reisedepesche warst Du einer der ersten großen deutschen Reiseblogger. Wie hat sich die Szene seitdem entwickelt?

Natürlich gab es auch schon vor 2010 Reiseblogs, vor allem im englischsprachigen Raum, auf denen ich mich im Vorfeld meiner Weltreise belesen habe. Im deutschsprachigen Raum gab es damals eher private Blogs wie meinen eigenen. 2011 ist dann eine ganze Riege deutscher Blogger an den Start gegangen und ein Jahr später wurde das Thema von der Presse entdeckt. Gleichzeitig ist auch die Akzeptanz von Blogs in Unternehmen und bei Tourismusdestinationen gewachsen, sodass die Reiseblogger-Szene und der Markt dafür eine Zeit lang im gleichen Tempo gewachsen sind.

Was ist dann passiert? 

Es entstanden immer mehr Reiseblogs, bis die Szene 2014 dann unübersichtlich wurde. Das lag sicher auch daran, dass der Gedanke, zu reisen und damit womöglich auch noch Geld zu verdienen, für fast jeden verlockend klingt. Ich denke aber, dass es einen Unterschied zwischen älteren und den neueren Blogs gibt: sie haben viel von dem Tagebuchcharakter verloren. Im Vordergrund steht das eigene Marketing, das Bestreben, Geld zu verdienen. Denn es ist etwas anderes, ob man einfach nur schreibt, weil man Lust darauf hat, seine Erlebnisse mit der Welt zu teilen, oder ob man versucht, in einem hart umkämpften Markt schnellstmöglich ein Business aufzubauen.

Wenn man als Profiblogger, so wie Du, schon mehr als 75 Länder dieser Welt gesehen hat, verliert das Reisen dann nicht irgendwann seinen Reiz?

Reisen ist toll – aber es ist nur ein Aspekt des Lebens. Wenn man viel reist, nimmt man gleichzeitig in Kauf, dass persönliche Beziehungen darunter leiden.

Zum Glück habe ich einen verständnisvollen Freundeskreis – und eine Partnerin, die auch Reisebloggerin ist. Seit wir unsere Tochter haben, reisen wir als kleine Familie, aber nur zu ausgewählten Zielen. Aber aufhören? Es gibt doch noch so viel zu sehen.

Von Johannes Klaus ist zuletzt im Piper Verlag The Travel Episodes: Geschichten von Fernweh und Freiheit erschienen.

Das Interview hat Johannes Klaus am 8. Juni 2016 auf dw.com geführt. 

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