Influencer und das Ende des Journalismus?

Influencer und das Ende des Journalismus?
Influencer und das Ende des Journalismus?

Gemeinsame Gesprächsrunde von Journalistenkreis und PR-Kreis beim VDRJ Regionaltreffen Mitte in Frankfurt

protokolliert von Marina Noble und Rüdiger Edelmann

Ein Buzzword bewegt auch die Reisebranche: Influencer. Journalisten befürchten, dass die Verlagerung von Marketing-Geldern auf die neuen Meinungsmacher ihre finanzielle Situation noch weiter verschlechtert.

PR-Leute werden überrollt mit Anfragen, für Blog- und Social-Media-Posts zu zahlen. Laut einer Umfrage des “Influencer Marketing Hub” sollen die Influencer-Marketing Budgets, in den kommenden Monaten, um weitere 67 Prozent steigen.

Ein Grund für die VDRJ, beim Regio-Treff Mitte, dieses Thema zu diskutieren und Erfahrungen zu poolen.

Unsere Diskussion steht erst am Anfang. Erkenntnisse, Fragen, Meinungsäußerungen und Erfahrungen aus der Praxis der ersten Gesprächsrunde haben wir zusammengefasst.

Die Conclusio aller unterschiedlichen Meinungen lautet: Influencer-Marketing ist Werbung.

Diskussion beim VDRJ Regiotreffen Mitte © Rüdiger Edelmann
Diskussion beim VDRJ Regiotreffen Mitte © Rüdiger Edelmann

Bezahlte Produkt-Präsentationen von Influencern sind Werbung

und sie müssen als solche gekennzeichnet werden. Dieses Thema ist bereits aus der traditionellen Welt wohlbekannt. Wir wissen, ein kleines „Promotion“ über dem bezahlten „Artikel“ reicht nicht aus.
Vielfach verschwimmen die Grenzen zwischen „redaktionellem“ und bezahltem Content. Abmahnungen, wie es sie in jüngster Zeit gab, weisen hier in die Schranken. Übrigens gab es auch früher „Schleichwerbung“.

Influencer-Marketing bedeutet bezahlte Kooperation – also eindeutig Werbung

Bei solch einem Deal schreibt ein Vertrag die genauen Verpflichtungen und Leistungen auf beiden Seiten fest. Dabei werden die digitalen Meinungsmacher immer professioneller. Viele lassen sich von Agenturen vermarkten, die ihre Dienste aktiv anbieten und die Projekte verhandeln. PR-Leute berichten von zahlreichen Anfragen, die bei ihnen eingehen.

Bezahlte Influencer-Projekte haben formal keinen Einfluss auf das Budget der PR-Abteilung bzw. Pressestelle

Denn in den meisten Unternehmen teilt sich die Zuständigkeit: Die PR-Abteilung bzw. Pressestelle arbeitet mit Bloggern/Influencern zu Spielregeln wie mit Journalisten.
Bezahlte Kooperationen fallen in die Zuständigkeit der Marketing-Abteilung. PR-Agenturen sehen beides als ihr Aufgabenfeld. Offen bleibt im Gespräch die Frage, ob sich finanzielle Mittel, durch das Influencing-Engagement, in Richtung Marketing-Etat verlagert werden.

Die neuen Influencer auf Youtube, Facebook & Co erreichen meist eine junge Zielgruppe

Diese tickt anders. Selbst Teenies sind heute bereits auf der ganzen Welt unterwegs, sind also reise-erfahren. Sie kommunizieren anders und haben andere Vorstellungen von Qualität. Dies prägt auch ihre Mediennutzung. Den Unterschied zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung kennen sie oft nicht – oder er interessiert sie nicht.

Die Ergebnisse der Diskussion © Rüdiger Edelmann
Die Ergebnisse der Diskussion © Rüdiger Edelmann

Influencer-Relations sind etwas anderes als Influencer-Marketing

Influencer-Relations funktionieren wie die traditionelle Zusammenarbeit zwischen Journalisten und PR-Leuten. Auch Blogger und Influencer erhalten dann Informations-Angebote, welche sie annehmen können oder nicht. Es fließt kein Geld. Die Unterstützung mit einer Recherche-Reise ist – wie bereits oft diskutiert – auch in der digitalen Welt eine Grauzone.

Influencer sind Menschen, die Meinung machen

Im Grunde zählen dazu auch Journalisten. PR beeinflusst mit ihrer Arbeit ebenso.
Inzwischen konzentriert sich der Begriff auf die digitale Welt und bezeichnet Beeinflusser, die durch ihre hohe Reichweite in den sozialen Medien (also auf Instagram, twitter, Facebook, youtube) viele Menschen erreichen. Diesen Fans und Followern präsentieren sie Produkte und Marken – und lassen sich dies bezahlen.

In der traditionellen Welt gab es schon immer „Influencing“

– das hieß dann „Testimonial“ oder auch „Product-Placement“.
Ein Prominenter, der in TV-Spots oder bei Verkaufs-Veranstaltungen für eine Marke wirbt, hat dafür schon immer ein Honorar erhalten. Sicher auch Thomas Gottschalk, wenn bei seiner „Wetten Dass“-Sendung die Gummibärchen gut sichtbar auf dem Tisch platziert waren.
Auch einige Journalisten haben es geschafft, mit ihrer Bekanntheit einen Marktwert zu erzielen. Sie erhalten für Rede-Auftritte oder das Mitwirken in Werbespots (Beispiel Ulrich Wickert: „Dämmen lohnt sich“) ein Honorar. Mit Journalismus hat dies nichts zu tun.

Bei Influencern gibt es sehr große Unterschiede im Bezug auf die Qualität, so wie wir diese heute definieren

Allerdings trifft dies auch auf die traditionelle Medienwelt zu: Die Zahl der „Krautblätter“ steigt, während immer mehr Qualitätsmedien verschwinden.

Verlage/Sender/Medien sind immer weniger bereit, für journalistische Leistung zu bezahlen

An einen Rechercheetat für eine unabhängige Berichterstattung ist erst recht nicht zu denken. Dies begründet letztendlich die Misere der Journalisten, die sich damit seit Jahren in einer Grauzone zwischen objektiver Recherche und der Verpflichtung zu einer positiven Berichterstattung wiederfinden. Letztlich wird hauptsächlich an dieser Stelle dem Journalismus, von den eigenen Verantwortungsträgern, das Wasser abgegraben.

Wir alle müssen uns darauf einstellen, dass es weitere Veränderungen geben wird

Andere Branchen haben das bereits schmerzhaft erlebt. In der Medienszene wird es in der Zukunft sicher neue Formen geben.

Und es stellt sich die unangenehme Frage: Wird es in Zukunft klassische Medien überhaupt noch geben?

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6 Kommentare

  1. Eine spannende Diskussion – Danke für die Einblicke in das Regionaltreffen.
    Als Bloggerin ist mir wichtig: Eine Recherchereise als Kooperation (also teilweise oder ganz bezahlt) heißt nicht gleich, dass der daraus resultierende Content nicht journalistisch und damit Werbung ist. Ich halte es bei solchen Berichten mit einer Offenlegung am Ende des Artikel in meinem Blog und schaffe Transparenz.
    Schon oft mit Journalisten auf Pressereisen gewesen, weiß ich, dass viele Journalisten dies in ihren Artikeln nicht tun, es teilweise je nach Zeitung/Medium auch nicht können. Eine bekannte Reisezeitschrift veröffentlicht beispielsweise lediglich einen Offenlegungshinweis pauschal für alle Artikel auf den ersten Seiten in kleiner Schrift.
    Ich würde mir wünschen, dass es einen Kodex gibt, der Berichterstattung im Zusammenhang mit (teils) bezahlten Recherchereisen aufgreift und Leitplanken, quasi einen Rahmen schafft – denn nicht alles ist Werbung!
    Wir Blogger sind nicht alle Werbeschleudern und „Klickhuren“. Wir schreiben weniger neutral, sondern mit unserer persönlichen individuellen Brille über unsere Reisen – genau das macht unseren Blog aus, grenzt uns auch von journalistischen Artikeln oft ab.
    Für mich hat beides zukünftig Bestand: Artikel von Journalisten im Printmedium mit einer einmaligen Erscheinung und sehr hohen Reichweite und Auflage (Auch ich kaufe nach wie vor gern Reisemagazine und Reiseführer). Daneben Blogs wie meinen beispielsweise, mit aktuell rund einem monatlichem Aufruf von 30.000, ausgerichtet auf longtail, weil länger im Netz verfügbar und ausgerichtet auf eine spezielle Zielgruppe (in meinem Fall Genussreise, Carioroadtrips usw.).
    Würde mich freuen, wenn wir das Thema weiter verfolgen.

  2. Ich beziehe mich gerne auf Tanja Neumanns Kommentar und melde mich zu einem ganz bestimmmten Satz daraus:

    „…Wir schreiben weniger neutral, sondern mit unserer persönlichen individuellen Brille über unsere Reisen – genau das macht unseren Blog aus, grenzt uns auch von journalistischen Artikeln oft ab.“

    Auch ich würde mich freuen, wenn journalistische Beiträge kenntlich machen, wer die Autorin oder den Autoren dazu eingeladen hat. Da bricht kein Zacken aus der hehren Presse-Krone. Aber ich bin auch so realistisch, um nicht zu glauben, dass dies allgemeiner Brauch werden könnte. Und ich weiß auch, dass es nicht unbedingt in der Hand der Schreibenden liegt, den aufhellenden, kleinen Satz unter den Artikel zu setzen. Jedoch folge ich nicht den journalistischen Regeln der Neutralität in allen Situationen. Ich denke, ich darf, wenn ich es so fühle, schon begeistert (oder auch bestürzt) sein. Um es vorweg zu sagen: Nichts geht ohne Fairness, Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit und nachprüfbare Fakten. Aber sind wir im Reisejournalismus denn wirklich unterwegs als Presse -Organe der kontrollierenden Vierten Macht? Dürfen (nicht müssen !) denn nicht auch Gefühle der Kern der Berichterstattung sein, uns Begeisterung als unsere ganz persönliche und offen zugegebene Einseitigkeit leiten? Dürfen wir also nicht auch mal ganz so einseitig überschnappen vor Freude über einen Fund des offenen Herzens und der Sinne? Oder todtraurig bis empört, wenn wir etwas Schrecklich finden. Wir, eben nicht immer im Sinne des Reisejournalismus, sondern auch im Geiste des Reise-Feuilletons, dürfen, denke ich. Müssen, können, sollten nicht immer neutral berichten, sondern, wenn sie beim Reisen aufkommt, mehr pure Lebensfreude oder auch Enttäuschung weitgegeben und andere damit infizieren oder abschrecken. Ich glaube, auch das nennt man Authentizität.

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