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Wir legen immer besonderen Wert auf die journalistische Komponente der eingereichten Hörstücke. Trotzdem sind Podcasts, im Gegensatz zum Radio, eine Sache für sich. Deshalb hat sich die Radiopreis-Jury entschlossen, zum ersten Mal einen Preis für den besten Podcast eines Jahrgangs zu vergeben.
Von Rüdiger Edelmann
Es gibt fröhliche Podcasts, dümmliche, schlecht produzierte, rein Marketing-orientierte sowie „Laber“-Podcasts mit und ohne Substanz – und es gibt Podcasts von Menschen mit Erzähltalent und einem Händchen für die illustrierende Hochglanzbegleitung an Musik und Geräuschen.
Letzteres fanden wir bei „Sayonara Heimat – Hauke wandert aus“ von Podcaster und Youtuber Hauke Gerdes. Er schafft es eine 30-minütige Folge, mit wenigen Ausnahmen, nur durch sein Erzählen zu füllen. Da ist Inhalt, da entsteht Neugier und Interesse, da erfährt man Dinge, an die man vorher nicht im Traum gedacht hat. Man taucht mit Hauke unbedarft in einen völlig anderen Kulturkreis ein. Meint, frei nach Obelix, mitunter „Die spinnen die Japaner“ und ist gleichsam fasziniert von dieser fremden, anderen Welt.
Die eingereichte Folge Zwei beginnt mit dem Japanflug und einem kleinen Mädchen, das nicht akzeptieren kann, dass Hauke die Tätowierung nackter Frauen auf dem Arm hat und gemeinsam mit dem Erzähler die Tatoofrauen, mit Hilfe von Kugelschreiber und Buntstiften, mit Kleidungsstücken ausstattet. Die Einreise liefert die Erkenntnis, dass Grenzbeamte in der Regel nur japanisch sprechen, dass es mit dem Visum für den Noch-Besucher und Noch-nicht-Auswanderer Hauke nix wird und aus dem Vorabbesucher, dank Corona-Reiseregeln, ein inoffizieller Einwanderer.
Es folgt die Beobachtung, dass man als Europäer gleichzeitig angestarrt, bewundert und abgelehnt wird. Es ist Haukes Erkenntnis anders zu sein, mit Vor- und Nachteilen. Er zitiert einen Freund, der ihm sagte, wenn er die Früchte des Andersseins genießen wolle, dann sei manchmal auch ein saurer Apfel dabei.
Saure und süße Äpfel folgen, von der Wohnungssuche bis zum Dating. Hauke beschreibt genau, fragt nach, lässt seinen Gedanken freien Lauf und bringt sie uns mit einem absoluten Erzähltalent näher. Beinahe beiläufig stellt man fest, dass all diese Geschichten von Geräuschen, Musik und Tönen begleitet werden. Ganz dezent, wie vielleicht in Japan, aber unersetzlich fürs Hörgefühl. Hauke holt uns mit seinem FYEO-Original-Podcast ins Land, in die Kultur und in seine neue Heimat; denn Hauke ist immer noch dort, in Japan.
Der Podcast „Sayonara Heimat – Hauke wandert aus“, der seit 2020 auf FYEO erscheint (als Appetizer für Nichtregistrierte gibt’s die Folge 1), wurde mit dem Columbus Radiopreis 2020 in Silber als „Bester Postcast“ ausgezeichnet. Mehr zum diesjährigen Radiopreis-Jahrgang und der Arbeit der Jury finden Sie hier.
Dieser und alle weiteren ausgezeichneten Beiträge der Columbus Journalistenpreise der VDRJ für das Erscheinungsjahr 2020 für Text, Radio sowie Film sind hier auf einen Blick zum Nachlesen, Reinhören und Anschauen online verfügbar.
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