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Was sich auf den ersten Blick als Mischung aus freiwilliger Tortur und „zweigleisigem“ Roadtrip darstellt, wird zur packenden, lebendigen und hintergründigen Reportage über Menschen aus drei Ländern, die mal eins waren. Es ist eine Zugreise von jungen Reiseenthusiasten, die sich eine besondere Form des Reisens ausgesucht haben.
Von Rüdiger Edelmann
Ist der Weg das Ziel? Man möchte es annehmen nach dem Hören dieser Reportage von Tania Palamkote. Denn eigentlich passiert nichts anderes, als dass zehn junge Reisende zum x-ten Mal eine etwas ausgeflippte Reise machen. Nein, kein Partyhopping auf Ibiza, sondern eine, auf den ersten Blick, wenig exotische Zugfahrt von Belgrad in Serbien nach Podgorica in Montenegro.
Aus den zehn Reiseteilnehmern sticht, neben der Autorin, ihr Freund Felix heraus. Er zeichnet sich als Beherrscher der Sprache, Kenner des Trips und Liebhaber der Mentalität aus. Von ihm erfahren wir das, was sich nicht ohne weiteres beschreiben lässt. Er redet, verhandelt, ordnet ein. Die Jury vergab dem Stück, während der Diskussion, einen Untertitel: Mit Felix durch Serbien.
Es ist die durchgängig erzählte Reportage einer besonderen Zugfahrt. Betten im Schlafabteil zum Selbstbeziehen, Wolldecke inklusive. Felix merkt an, dass die Wagen wohl renoviert seien: frische Farbe und es rieche weder nach Zigarettenqualm noch Toilette. Geraucht werden soll dort, wo man nicht lüften kann, sagt der glatzköpfige Schaffner, rauchenderweise, neben dem No-Smoking-Schild. Der Speisewagen fährt nicht mehr mit, aber dafür gibt es einen ganz besonderen Ersatz. Es ist ein Salonwagen, indem auch schon Jugoslawiens Ex-Präsident Tito unterwegs gewesen sein soll.
Die Fahrt wird hintergründig, ausgelassen, nachdenklich. Sie dauert zwölf Stunden und geht über zwei Grenzen mit entsprechender Kontrolle. Es ist eine Reise des Kennenlernens mit anderen Menschen. Die Frage des anderen Landes sei politisch, sagen einige Fahrgäste. Menschen nähmen die Unterschiede kaum wahr, wenn sie sich verstünden. Schließlich spreche man eine Sprache.
Eine großartige Reportage mit einem durchgehenden Ton- und Geräusche-Teppich über eine eigentlich unspektakuläre Reise. Aber wer bitte entscheidet schon, was spektakulär ist?
Der Beitrag „Belgrad-Bar – eine Zugfahrt durch Serbien und Montenegro“, ausgestrahlt im November 2020 in den „radioReisen – Reisegeschichten über Menschen mit Missionen“ in BR2, wurde mit dem Columbus Radiopreis 2020 in Silber als „Beste Reisereportage“ ausgezeichnet. Mehr zum diesjährigen Radiopreis-Jahrgang und der Arbeit der Jury finden Sie hier.
Dieser und alle weiteren ausgezeichneten Beiträge der Columbus Journalistenpreise der VDRJ für das Erscheinungsjahr 2020 für Text, Radio sowie Film sind hier auf einen Blick zum Nachlesen, Reinhören und Anschauen online verfügbar.
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