Unter Druck

Unter Druck - tdt wird 35

tdt – die touristische Nachrichtenagentur geht ins 36. Jahr ihres erfolgreichen Bestehens. Grund genug für Herausgeber und VDRJ Mitglied Th. Michael Schweizer im Jubiläums-Magazin zum 35. Geburtstag einen Blick auf die Lage der Dinge zu werfen und sich bei Urgesteinen und Newcomern unter Reisejournalisten und Reise-PRlern umzuhören, auf welchem Weg sich die fundierte Reiseberichterstattung befindet. 

Aus diesem Anlass veröffentlichen wir heute noch einmal den nachstehenden Artikel, der zuerst im tdt-Jubiläumsheft erschienen ist.  

Neben der Automobilwirtschaft hat nur die Reisebranche in der Tagespresse eigene Seiten. Doch die schrumpfen – und damit das Auskommen der Macher.

Nicht gerne denkt Horst Zimmermann an die Zukunft. „Sie erscheint düster“, klagt der seit 1970 tätige Reisejournalist, der mittlerweile 35 Länder bereist hat. „Der Reisejournalismus als Monokultur“ werde sogar „aussterben“, prophezeit Helge Sobik, der zwei Jahrzehnte später in den Job kam – und aus „über 50 Ländern“ berichtet hat.

Eher pessimistisch auch Jürgen Drensek. Es komme nicht nur zu einer „Bedrohung von außen“, weil Redaktionen samt Reiseteile schrumpfen und Honorare fallen, so der Ehrenpräsident der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ). Auch das Aufkommen einer „überwiegend unqualifizierten Blogger-Szene, die nur sich und ihnen gesponserte Accessoires in Szene setzen“, belaste seine Zunft.

Längst klein beigegegen haben viele Medien, wenn es um den Erhalt früher eherner Grundsätze geht. „Die Vermischung von PR, Journalismus und Social Media“ sei das größte Problem des Reisejournalismus, weiß Elsemaria Maletzke. Sie kenne keine Redaktion, die nicht auf Sponsoren angewiesen wäre. „Und nun auch noch die Blogger, die sich beim Essen fotografieren.“

Den Niedergang des klassischen Reisejournalismus belegen vor allem die Tageszeitungen. Als etwa der „Mannheimer Morgen“ 1970 seinen Reiseteil startete, gab es pro Woche im Schnitt sechs bis acht Seiten. Eine blieb übrig – und auch das Verhältnis Redaktion zu Anzeigen hat sich dramatisch gedreht – von 60 auf 30 Prozent. Das heißt auch: Beim Start bespielten Fremdautoren 90 Prozent der Seiten, heute wird kein einziger mehr beschäftigt.

Eine „echte Hauptberuflichkeit“ sei nur noch „wenigen Kollegen möglich“, analysiert Newsletter-Herausgeber Christian Leetz, viele verdienten sich anderweitig ein Zubrot. Christian Haas beispielsweise leitet nebenbei die „Münchner Kinderzeitung“ – und  Anke Pedersen erstellt Fallstudien. Reisejournalisten dienten sich aber auch PR-Agenturen an, die dann ihre Texte an Fremdenverkehrsämter „vertickern“, berichtet Barbara Goerlich, die seit 1996 am Ackern ist.

Auch Reisemagazine haben immer weniger Bedarf – und müssen sparen. Das liege vor allem an der „totalen Digitalisierung“ und „starken Reduzierung der Auflagen“, weiß Jürgen Zupancic, Verleger des seit 1986 erscheinenden Insider-Reisemagazins „Clever reisen“.

Wie schwer es ist, an Leser zu kommen, hält die Interessengemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) fest: Danach kam keine einzige Reisezeitschrift im dritten Quartal 2016 auf eine „harte Auflage“ – Einzelverkauf plus Abonnements – von mehr als 50 000 Exemplaren. Selbst das „ADAC Reisemagazin, mit 46 865 Heften Marktführer, verlor innerhalb eines Jahres 11,3 Prozent. Noch mehr gebeutelt „Reise und Preise“: Der Buxtehuder Verlag fand nur noch 30 500 Leser – ein Minus von 14,9 Prozent.

Vom Niedergang der Verlage und ihres schreibenden Personal profitieren PR-Agenturen: Sie haben zumindest im Print-Bereich weniger zu tun. „Die traditionelle PR-Arbeit mit klassischen Medien wird abnehmen“, sagt Dorothea Hohn, einst als Studentin rechte Hand des damaligen VDRJ-Vorsitzenden Armin Ganser und heute Chefin von 24 Mitarbeitern ihrer PR-Agentur Global Communication Experts.

Dafür sind die umtriebigen Spin-Doktoren, die untereinander in einem knallharten Wettbewerb stehen, anderswo gefordert wie noch nie. Durch Digitalisierung und soziale Medien hätten sich die Vorgaben „nachhaltig verschoben“, so der Münchner Berater Thomas Wilde. „Verlangt wird die Einsatzfähigkeit 365/7/24“.

Die – mit einem Umsatz von fast 3,9 Millionen – führende touristische Kommunikationsagentur sieht zudem, dass Werbung und PR „noch enger verzahnt werden.“ Und profitiert vom Dilemma der Reisejournalisten. Weil Auftraggeber mehr und mehr „anspruchsvollen Content“ erwarten, wildert Wilde in einem neuen Geschäftsfeld: Die – jetzt 30 Jahre alte Firma – übernimmt neuerdings „zunehmend Aufgaben, die bislang ausschließlich bei Journalisten und in Medienhäusern angesiedelt waren.“

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