Mit Reisen Brücken zwischen Völkern bauen

Ein Gespräch mit Ury Steinweg

Dagmar Gehm im Gespräch mit Ury Steinweg; Foto: Dagmar Gehm
Dagmar Gehm im Gespräch mit Ury Steinweg; Foto: Dagmar Gehm

Der Name war bei Gebeco, der „Gesellschaft für internationale Begegnung und Cooperation“ von Anfang an Programm. Bis heute blieb Gründer Ury Steinweg, Columbus Ehrenpreisträger 2019, seiner Überzeugung treu, mit Reisen Verbindungen zu initiieren und Türen zu Ländern auch in angespannten politischen Situationen offen zu halten. Nach 42 Jahren zieht er sich demnächst als Geschäftsführer zurück. Mit ihm sprach Dagmar Gehm.

Wie war Ihre Reaktion, als Sie erfuhren, dass Sie mit dem Columbus Ehrenpreis für herausragende Verdienste im Tourismus geehrt werden sollen?

Steinweg: Das war eine ganz tolle unerwartete Überraschung. Und eine Anerkennung für mein gesamtes Gebeco-Team, das unsere Philosophie so engagiert mit Leben füllt und tagtäglich in fantastische Reiseerlebnisse verwandelt.

42 Jahre lang Geschäftsführer bei einem einzigen Unternehmen – wie hält man über eine solche Zeitspanne die Leidenschaft lebendig?

Steinweg: Ich habe 1978 mit der Gründung von Gebeco mein Hobby zum Beruf gemacht und kann mich immer noch fürs Reisen begeistern. Am Anfang hatten wir schwerpunktmäßig die Sowjetunion im Programm, inzwischen sind wir mit zwölf Katalogen auf dem Markt. Und entwickeln immer neue Ideen, wie jetzt die neue Reise „Road to Mandalay“, die die Grenzen zwischen Indien, Bangladesch und Myanmar überwindet.

Was steht hinter der Idee von Gebeco?

Steinweg: Brücken zu schlagen war die Grundidee in der Zeit des kalten Krieges mit der Sowjetunion. Das gilt auch heute noch. 2019 haben wir gleich mehrere Kombinationsreisen aufgelegt, die das Völkerverbindende thematisieren, wie die Kombinationen Marokko und Spanien, Israel und Jordanien oder Mexiko und die USA.

Im vergangenen Jahr sind erste Teilnehmer mit Gebeco nach Nordkorea gereist. Mit welcher Aktion wollen Sie diese Erfahrung 2020 toppen?

Steinweg: Wir werden versuchen, die Grenze zwischen Nord- und Südkorea direkt zu überschreiten. Und zwar am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit.

Es ist ein symbolisches Datum, das zeigt, dass eine Wiedervereinigung möglich ist. Wir hoffen stark, dass die Grenze jeweils für zwei Gruppen aus dem Norden und zwei aus dem Süden an diesem Tag nur für unsere Gäste geöffnet wird.

Werden Sie persönlich bei dieser historischen Grenzüberschreitung dabei sein?

Steinweg: Ja, unbedingt! Darauf bin ich einfach zu neugierig. Wie ich auch bei den ersten Reisen in die damalige Sowjetunion dabei war und neue Programme ausgetestet habe.

Was war eines Ihrer eindrucksvollsten Erlebnisse auf Reisen?

Steinweg: Zu unserem 25. Hochzeitstag wurde in Samarkand auf dem Registanplatz eine der drei ehemaligen Medresen – ehemalige Koranschulen, heute Museen – extra für uns geöffnet. Ein Pianist, eine Geigerin und eine Sängerin haben das Abendessen begleitet. Eine ganz besondere Atmosphäre. Weil es mal ein heiliger Ort war, wurde Alkohol aus Teekannen eingeschenkt, und wir haben ihn aus Tassen getrunken.

Sie haben immer Reisen auch in politisch umstrittene Länder angeboten, die von anderen Veranstaltern längst gestrichen wurden. Warum?

Steinweg: Wir halten es für notwendig, im Tourismus gerade auch jene Länder zu fördern, die nicht unbedingt unser Demokratieverständnis haben. Denn durch Reisen schaffen wir Kommunikation und können Brücken bauen. Wir dürften sonst keine Reisen nach Nordkorea anbieten, oder nach Russland, in den Iran, in die Türkei.

Als Veranstalter engagieren Sie sich über die gesetzliche Vorgabe hinaus für Nachhaltigkeit, wurden 2011 mit dem TourCert-Siegel ausgezeichnet. Um welche nachhaltigen und sozialen Projekte kümmert sich Gebeco konkret?

Steinweg: Wir sind sowohl Gründungsmitglied von Futouris als auch des Roundtable Human Rights in Tourism. Wichtige nachhaltige Bewegungen haben wir von Anfang an mitgetragen.

In Myanmar unterstützen wir eine gemeinsame Schule für moslemische und buddhistische Kinder. Außerdem unterstützen wir die Kwes, eine ethnische Minderheit in Namibia, deren Kultur verloren zu gehen droht. Im Moment greifen wir den Kwes beim Aufbau eines Cultural Villages unter die Arme. Insgesamt geben wir etwa 50.000 Euro pro Jahr für Hilfsprojekte aus.

Wie machen Sie jungen Leuten eine Veranstalterreise schmackhaft?

Steinweg: Speziell für Reisende bis etwa 35 Jahre in internationalen Gruppen haben wir zum Beispiel die Marke goXplore gegründet. Das Ganze nennen wir organisiertes Backpacking. Im Vordergrund steht der individuelle Erlebnischarakter.

Junge Traveller verabreden sich heute im Internet. Wird damit die Gruppenreise über den Veranstalter entbehrlich?

Steinweg: Es gibt Start-ups mit einem Initiator, dieser teilt übers Internet seine Reiseroute mit und fragt, wer mitfährt. In Zukunft würden wir zum Beispiel zehn Usbekistan-Termine anbieten und für jeden Termin einen Opinion Leader finden, der über Social Media-Kanäle versucht, Gleichgesinnte zur Mitreise anzuregen. Unsere Aufgabe wird es sein, die Reisen zu ermöglichen.

Also ein völlig neues Geschäftsmodell. Und was unterscheidet Gebeco ansonsten von Anbietern dieses Genres?

Steinweg: Unsere wichtigsten Grundlagen sind Völkerverständigung und Nachhaltigkeit. Diese Aspekte sind von Anfang an dabei, sind in unserem Namen verankert. Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt, und zwar nicht nur den Kunden, sondern auch die Menschen in den besuchten Ländern.

Gibt es ein Leben nach Gebeco?

Steinweg: Als Gesellschafter bleibe ich ganz mit der Gebeco verbunden. Darüber hinaus bin ich ab dem 30. Juni weiter für die Auslandsbeteiligungen zuständig. Gern stehe ich auch als Berater zur Verfügung. Und ich nehme mir auf jeden Fall mehr Zeit auf Reisen. Beginnen werde ich damit im November auf der Reise „Road to Mandalay“, die laut Programm drei Wochen dauert, die ich auf vier Wochen verlängere. Ich erlaube mir dann den Luxus „Zeit“.

Zur Person
Ury Steinweg, geboren 1952 in Jerusalem, aufgewachsen in Münster/Westfalen, studierte Volkswirtschaft in Kiel. 1978, ein Jahr nach dem Studium, gründete er Gebeco.

Seitdem ist er Gesellschafter und Geschäftsführer des Kieler Reiseveranstalters. Mit jährlich rund 60 000 Gästen und 119 Millionen Euro Umsatz ist Gebeco heute einer der führenden Veranstalter von Studien- und Erlebnisreisen im deutschsprachigen Raum.

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