Beethoven würde bei Fridays for Future mitmischen

Panoramablick auf die Bundesstadt Bonn; Foto: Presseamt der Stadt Bonn/Martin Sondermann
Panoramablick auf die Bundesstadt Bonn; Foto: Presseamt der Stadt Bonn/Martin Sondermann

Menschen aus aller Welt werden 2020 nach Bonn reisen, um Ludwig van Beethoven, der hier im Dezember 1770 geboren wurde, ihre Referenz zu erweisen. Die Vorbereitungen für das Jubiläum laufen auf Hochtouren. Heidi Diehl sprach darüber mit dem Oberbürgermeister der Stadt Bonn, Ashok Sridharan, dem Kaufmännischen Geschäftsführer der Beethoven Jubiläums Gesellschaft, Ralf Birkner, und dem Geschäftsführer der Tourismus & Congress GmbH, Udo Schäfer.

Herr Oberbürgermeister, herzlichen Dank für die Einladung an die VDRJ, ihre diesjährige Hauptversammlung in Bonn durchzuführen. Mit welchen Erwartungen werden Sie uns begrüßen?

Sridharan: Ich freue mich sehr, dass Sie sich für Bonn entschieden haben. Ich bin überzeugt, dass es ganz viel über die Stadt zu berichten gibt. Insbesondere vor dem Hintergrund des 250. Geburtstages des größten Sohnes unserer Stadt. Wir haben eine sehr breite Vielfalt von Veranstaltungen geplant, und natürlich auch die Erwartung, dass das Jubiläumsjahr eine Strahlkraft entwickelt, die über 2020 hinaus viele Menschen nach Bonn bringt.

Es ist uns ein besonderes Anliegen, Ihnen zu zeigen, wie sich die Stadt und ihre Bürger auf das Jubiläum vorbereiten. Wir sind überzeugt, dass die Vorfreude darauf auf Sie überspringt und Sie diese auf Ihre Leser, Hörer und Zuschauer übertragen.

Die Bundesregierung hat das Beethovenjubiläum zu einer nationalen Aufgabe erklärt. Was bedeutet das für Bonn?

Sridharan: Das bedeutet einerseits, dass wir in der Vorbereitung und Durchführung des Jubiläumsjahres seitens des Bundes und des Landes wirklich tatkräftig unterstützt werden. Wir haben eine Jubiläumsgesellschaft gegründet, in dessen Aufsichtsrat außer dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen auch der Rhein-Sieg-Kreis und die Bundesstadt Bonn vertreten sind. Es ist uns gelungen, ein Programm auf die Beine zu stellen, bei dem für jeden etwas dabei ist.

Schäfer: Was uns ganz besonders freut, ist, dass die Deutsche Zentrale für Tourismus 2020 zum Beethoventhemenjahr erklärt hat. Das bedeutet, dass die inter­nationale touristische Vermarktung im kommenden Jahr ganz im Zeichen Beethovens steht und Bonn somit in den Fokus der weltweiten Aufmerksamkeit rückt.

Welche Außenwirkungen versprechen Sie sich vom Jubiläumsjahr?

Sridharan: Natürlich hoffen wir auf zig-tausend Besucher, die Beethoven in seiner Geburtsstadt erleben wollen. Wir versprechen uns aber auch, dass die Stadt mit all ihren anderen Attraktionen besser bekannt wird in der touristischen Welt.

Natürlich ist Beethoven der größte Sohn dieser Stadt, aber es gibt zahlreiche weitere Gründe, hierher zu kommen. Bonn als eine besondere Stadt in Deutschland wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen zu rücken, dazu bietet das Jubiläumsjahr eine Chance, die wir nutzen wollen und werden.

Was erwartet die Besucher 2020?

Birkner: Das Jubiläumsjahr, das bereits im Dezember 2019 beginnt, wird ganz verschiedenartige Höhepunkte haben – musikalische, politische, zwischen-menschliche Begegnungen. Es startet mit Deutschlands größtem Hauskonzertevent nicht nur in Bonn, sondern bundesweit. Wir haben dazu aufgerufen, Beethoven zu sich nach Hause zu holen. Es wird Hunderte Hauskonzerte geben, zu denen jedermann eingeladen ist. Ganz im Sinne Beethovens, dem es wichtig war, die Musik allen Menschen zugänglich zu machen.

Es gibt über das Jahr hinweg eine Fülle von Konzerten von Klassik bis Rock und Jazz, viele sind öffentlich. Am 15. Mai wird eine mediale Brücke vom jungen Beethoven in Bonn zum alten in Wien geschlagen. ARD und ORF schalten zwischen beiden Städten hin und her – vom Open-Air-Konzert des Beethoven Orchesters in Bonn zur Eröffnung der Wiener Festwochen.

Abschließender Höhepunkt der Feierlichkeiten wird am 17. Dezember 2020, am 250. Tauftag Ludwig van Beethovens, die Aufführung der 9. Sinfonie mit dem West-Eastern Divan Orchester und dem Europäischen Jugendchor unter Leitung von Daniel Barenboim sein. Die Festrede hält Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr des Beethoven Jubiläumsjahres.

Schäfer: Ein besonderes nachhaltiges touristisches Projekt ist der neue Beethovenrundgang, zu dessen offizieller Eröffnung am 12. Oktober wir Sie ganz herzlich einladen. Multimediale Stelen werden an Orten, die in Beethovens Leben eine wichtige Rolle gespielt haben, an den Musiker und die 22 Jahre, die er in Bonn lebte, erinnern.

Beethoven war ein glühender Anhänger der Werte der französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit waren seine Leitbilder. Ideale, die mit Blick auf die Welt von heute, mehr als aktuell sind. Wie lebt Bonn diese, und wie spiegeln sie sich heute in der Stadt wieder?

Sridharan: Ich meine, Beethoven hatte wirklich revolutionäre Ideen. Ich bin fest davon überzeugt, wenn er heute als junger Mensch in Bonn leben würde, wäre er Anhänger der Bewegung Fridays for Future und stolz auf die jungen Leute, die für die Zukunft der Welt auf die Straße gehen. Er würde hier vieles anregen und bewirken und wäre wahrscheinlich auch heute der Revolutionär, der er damals gewesen ist mit seinen Themen. Da ist natürlich das Thema Nachhaltigkeit ein besonders wichtiges, für das wir uns ganz im Beethoven’schen Sinne engagieren, zum Beispiel für die Schaffung von Wohnraum, Ausbildungsplätzen, einen breit aufgestellten Arbeitsmarkt.

Birkner: Unser Logo BTHVN geht ja auf Beethoven selbst zurück, der so signiert hat – also seinen Namen ohne Vokale. Wir haben jedem Buchstaben ein Leihthema zugeordnet. Das H steht für den Humanisten Beethoven. Er, der durch den liberalen Kurfürsten die Werte der Französischen Revolution kennengelernt hat, verkehrte mit Menschen, die wie er  schon aufklärerisch dachten. Fest in seiner Überzeugung war verankert, mit der Weltsprache Musik Menschen zu vereinen, Staatsgrenzen zu überwinden. Das spiegelt sich auch in zahlreichen großen Ausstellungen im Jubiläumsjahr wieder, wie der zentralen in der Bundeskunsthalle unter dem Motto „Beethoven Welt. Bürger. Musik.“

Schäfer: Bonn ist ein internationaler Standort, Menschen aus 180 Nationen leben hier. Hier ist der Sitz der Vereinten Nationen und vieler Regierungsorganisationen. Bonn ist seit jeher international geprägt, die Menschen leben die Internationalität, sind es gewohnt Welcome zu sagen, was sich schon oftmals nachdrücklich gezeigt hat. Beispielsweise zur Weltklimakonferenz vor zwei Jahren, die in unserer Stadt stattfand. Da haben wir die Einwohner der Stadt aufgerufen, Privatquartiere für Teilnehmer und Besucher zur Verfügung zu stellen. Das Echo war überwältigend – sowohl auf Seiten der Bürger als auch auf Seiten der Gäste.

Alles Beethoven!? Die Gesprächspartner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (li.), Udo Schäfer (Mitte) und Ralf Birkner (re.); Foto: Heidi Diehl
Alles Beethoven!? Die Gesprächspartner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (li.), Udo Schäfer (Mitte) und Ralf Birkner (re.); Foto: Heidi Diehl

Beethoven war Bonner, wie viel Beethoven sind denn die Bonner?

Sridharan: Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass die Einwohner der Stadt stolz auf ihren einstigen berühmten Mitbewohner sind, seine Weltoffenheit leben und sich auf vielfältige Art intensiv in die Vorbereitung des Festjahres einbringen – in Vereinen, Verbänden oder ganz privat. Ein wirklich leuchtendes Beispiel war die Aktion auf dem Münsterplatz, wo im Mai für zwei Wochen 800 von dem Künstler Ottmar Hörl angefertigte Beethovenstatuen aufgestellt wurden, die die Bonner gewissermaßen als Referenz an den Weltbürger zuvor gekauft hatten. Inzwischen sind mehr als 3 000 solcher Statuen verkauft. Nicht nur in Bonn fanden sie ein Zuhause, sondern überall in der Welt. Und unser Marketing-Slogan heißt ja auch „Bonn ist Beethoven“.

Wie zeigt sich denn die Internationalität in der Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr? Werden auch Flüchtlinge einbezogen?

Birkner: Da gibt es eine ganze Reihe von Projekten, zum Beispiel die Gründung eines internationalen Musikensembles, das an vielen Orten auftreten wird. Nicht nur in Vorbereitung des Festjahres arbeiten wir mit Kindern aus verschiedenen Kulturkreisen zusammen in Projekten, in die auch Schulen eingebunden sind. Dabei geht es um kulturelle Begegnungen und das Kennenlernen anderer kultureller Hintergründe und Kulturräume.

Apropos Kinder? Welche Rolle spielen Kinder beim Jubiläumsfest, wie werden ihnen die Ideale, die Beethoven lebte, nahe gebracht?

Birkner: Durch ein Singeprojekt beispielsweise, an dem alle Grundschulen über den Gesang mit Beethovens Ideen vertraut gemacht werden. Am Ende werden sie sich zu einem riesigen Chor vereinen und ein Beethovenkonzert vor 6 000 Zuhörern im Telekom Dome geben. Die Schirmherrschaft für dieses Projekt hat Eckart von Hirschhausen übernommen. Für ein anderes Projekt sind die Musiker des Beethoven Orchesters nach Kolumbien gereist, wo sie mit Straßenkindern aus Medellin musikalische Statements unter dem Eindruck von Beethovens Musik entwickelt haben. In einem gemeinsamen Konzert führen sie diese im kommenden August in Bonn auf.

Beethoven war ein Naturfreund. Gibt es unter dem Klimaaspekt Veranstaltungen, in denen sich die Naturnähe Beethovens widerspiegelt? Und welche Nachhaltigkeit verspricht man sich davon?

Birkner: Dem Thema Natur ist im Jubiläumsjahr sogar ein weltumspannendes Projekt gewidmet. Es geht auf den Aufruf des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zur Klimakonferenz vor zwei Jahren zurück, wo er alle Musiker der Welt aufrief, am 5. Juni 2020, ausgehend von der 6. Sinfonie („Pastorale“), die ja das Verhältnis Mensch-Natur beschreibt, musikalische Statements zu Gehör zu bringen. Wir haben eine digitale Plattform geschaffen, auf der sich Musiker und Klangkörper aus aller Welt und aller Genres dafür eintragen. Das weltumspannende musikalische Aufrütteln an diesem Tag – übrigens ein Freitag – wird die Bewegung Fridays for Future klanggewaltig unterstützen und sicher nachhaltige Fortführung finden. Und nachhaltig sind neben großen Initiativen ja auch Konzerte, die man nie vergisst – auch so verstanden steht Beethoven, der seine Überzeugungen seiner Musik eingeschrieben hat, für Nachhaltigkeit.

Was würde Beethoven heute von seiner Stadt und ihren Bürgern halten?

Birkner: Die Bonner sind gastfreundlich und humorvoll, so wie er es auch war. Das würde ihm sehr gefallen. Nur ein Beispiel seines Humors: Sein Bruder Nikolaus Johann hatte ihm eine Neujahrskarte geschrieben und sie mit „J. v. Beethoven, Gutsbesitzer“ unterzeichnet. Beethoven antwortete augenzwinkernd mit „Ludwig van Beethoven, Hirnbesitzer“. Und ganz sicher würde Beethoven auch gefallen, wie viel Musik aller Genres in Bonn gespielt und gehört wird. Er war überzeugt, dass die Kraft der Musik die Welt verändern kann. Dass Musik heute für jedermann zugänglich ist, hätte Beethoven mit Sicherheit begeistert.

Schäfer: Ich bin überzeugt, es würde ihn freuen, zu sehen, wie sich die Bonner für ihre Stadt engagieren, und er würde sagen: Ja, hier bist du richtig.

Was würden Sie ihm gern in seiner Heimatstadt zeigen?

Sridharan: Das wären Ziele ganz im Sinne seiner Ideale wie Innovation, Emanzipation und Internationalität. Zuerst also, weil er es ja „kennt“, das kurfürstliche Schloss, das heute die Universität beherbergt. Dann das Museum Koenig, in dem der Startschuss zur Erarbeitung des Grundgesetzes gegeben wurde. Schließlich den UN Campus als Symbol internationaler Zusammenarbeit. Zum Schluss würde ich ihn auf ein Glas Wein am Alten Zoll einladen …

Birkner: Ich würde ihm gern zeigen, dass seine Geburtsstadt heute mitten in Europa liegt und dass sie als Bundeshauptstadt einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hat, dass aus den Werten der Revolution tatsächlich eine Staatsform geworden ist. Ich würde ihn in den Raum führen, wo das Grundgesetz entstanden ist und natürlich in die UN Stadt. Und ich würde ihn mit zum Karneval nehmen, der die Menschen ebenfalls miteinander verbindet, ganz so wie Beethovens Musik. Er hat den rheinischen Karneval, der heute immaterielles Weltkulturerbe ist, leider nie kennengelernt, obwohl er eine Karnevalsmusik für einen Maskenball im Schloss komponiert hat. Die übrigens wird nächstes Jahr am Karnevalssonntag endlich mal wieder aufgeführt.

Schäfer: Ich würde ihn mit vielen Menschen zusammenbringen, die seine Ideale leben und all die Orte zeigen, die heute Menschen aus aller Welt anziehen. Beethoven ist ein Weltbürger, der in Bonn geboren wurde. Heute kommen Bürger aus der ganzen Welt in friedlicher Absicht zu uns, das würde ich ihm zeigen. Er hätte seine helle Freude daran.

Zur Person
Ashok Sridharan (CDU) ist seit 2015 Oberbürgermeister von Bonn. Der studierte Jurist wurde ebendort als Sohn eines indischen Diplomaten und einer Bonnerin geboren.
Ralf Birkner ist Kaufmännischer Ge-schäftsführer der Beethoven Jubiläums Gesellschaft gGmbH und Leiter der Projekte, die in Bonn stattfinden.
Udo Schäfer ist seit 2001 Geschäfts-führer der Tourismus & Congress GmbH Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler mit Sitz in Bonn.
Weblinks
Mehr zum Beethoven-Jubiläumsjahr unter www.bthvn2020.de. Diesem ist auch eine umfangreiche Rubrik auf der Destinations- und Tourismusseite www.bonn-region.de gewidmet. Die Bundesstadt Bonn wiederum präsentiert sich in Anlehnung an Schillers „Ode an die Freude“ in Beethovens 9. Sinfonie mit dem Slogan „Freude. Joy. Joie. Bonn.“ auf www.bonn.de

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