Am Ball geblieben – und ein Buch geschrieben

Reisejournalist Horst Schwartz (Foto: privat)
Reisejournalist Horst Schwartz (Foto: privat)

Ein Autor erinnert sich im Lockdown an Reisegeschichten aus 50 Jahren

Von Horst Schwartz

Am Ball bleiben. Wie ein Mantra habe ich das jeden Tag wiederholt. Bleib am Ball, Horst! Im Lockdown waren alle meine journalistischen Aufträge weggebrochen. Ich hatte auf einmal Zeit, viel Zeit. Ich hätte das machen können, was ich mir in vergangenen hektischen Zeiten jahrelang gewünscht hatte: mal lange Zeit auf der faulen Haut zu liegen. Aber ich hatte die Idee, endlich mal ein paar Geschichten aus meinem Reiseleben aufzuschreiben und ein Buch daraus zu machen. Also entwickelte ich am heimischen Schreibtisch etwas, wofür ich nur ein sehr altmodisches Wort habe: Disziplin. Ich überredete meinen inneren Schweinehund dazu, täglich mindestens sechs Stunden an dem Buchprojekt zu arbeiten.

Wegen der guten Erfahrung mit einem Buch, das ich im ersten Lockdown geschrieben hatte, habe ich mich für einen Verlag entschieden, der Self publishing mit klassischer Verlagsarbeit verbindet. Self publishing bedeutet, dass Du alles selber machen musst. Zum Beispiel, die Idee ohne Lektor ausreifen lassen, die Texte schreiben und dabei auf „Vorschriften“ achten (jede neue Geschichte muss auf einer rechten Seite starten, jeder Absatz eingerückt werden) und Mitstreiter gewinnen, die das Manuskript sorgfältig Korrektur lesen. 

Selfpublishing heißt aber auch, dass du dein eigener Herr bist, dass dir keine Lektorin und kein Lektor dreinreden kann, und dass du nicht so unter Zeitdruck stehst.

Aus dem Meer der Erinnerungen tauchten nicht nur lustige Geschichten auf, sondern auch Ereignisse, die erschütternd waren. Zum Beispiel der Brand in einem Wiener Hotel mit über 20 Toten, den Hoteltester der Stiftung Warentest und ich haben kommen sehen. Am schwierigsten waren Erlebnisse zu verarbeiten, bei denen Lachen und Weinen eng beieinander lagen. Wie die Geschichte, dass ich an einem FKK-Strand auf Skiathos den Ehering meiner Frau verloren habe und um die 50 nackte Helfer mit gegen Himmel gerecktem Po nach dem Ring im Sand gegraben haben. Das war ein lustiger Anblick, aber ich musste weinen, weil der Ring nicht mehr gefunden wurde.

Geschichten, in denen mir oder Mitmenschen Missgeschicke widerfahren, über die man sich köstlich amüsieren könnte, habe ich bewusst verzichtet.. Ich möchte hier niemanden zum Gespött machen, auch mich selbst nicht…

Enttäusche Eitelkeit: Kassiber für die Mutter

Aber über harmlose eigene Missgeschicke habe ich durchaus berichtet. Zum Beispiel darüber, dass ich bei einer Hotelinspektion mal wieder ein Glas Cola verschüttete und die site inspection im Bademantel absolvieren musste. Oder die Geschichte enttäuschter Eitelkeit, als mich auf einer Reise das Lächeln einer jungen (viel zu jungen…) Dame verzauberte, die mich schließlich in einem Kassiber um ein Treffen bat – aber nicht für sich, sondern für ihre Mutter.

Als besonders schwierig erwiesen sich die Recherchen. Ich behaupte, ein „Elefantengedächtnis“ zu haben, aber ich habe nicht Tagebuch geführt. Wann war die Reise zur Sababurg in Nordhessen, wo Dornröschen zu einem genialen Marketingtrick avanciert war? Wann habe ich den Ort Medjugorje in der Herzegowina besucht, in dem die täglich erscheinende Muttergottes säuberlich zwischen Sommer- und Winterzeit unterschied? Wann genau bin ich in Kenia vom Klippschliefer gebissen worden? War die Erinnerungsarbeit geleistet, kamen die Fragen an Google: Von wann bis wann herrschte in Griechenland die Militärjunta? Was für ein Vogel ist ein sprechender Beo? Wie viele Musikstücke hat der norwegische „Teufelsgeiger“ Ole Bull komponiert? Die Recherche-Ergebnisse füllten schließlich vier Aktenordner.

Die griechische Insel Kreta und das dänische Eiland Bornholm waren die Ziele, die ich als Reisejournalist am meisten besucht habe – aus beruflichen und – vor allem bei Bornholm – auch aus sehr privaten Gründen. So tauchen diese Destinationen mit diversen Geschichten am häufigsten in dem Buch auf. Um dazu ein Gegengewicht zu schaffen, habe ich gezielt nach Erinnerungen gesucht, die an anderen Orten spielen. Jetzt reichen die Erlebnisorte buchstäblich von A bis Z, von Aachen bis Zypern. 

Als das Buch fertig war, fuhren die Gefühle Achterbahn

Schnell war mir klar, dass ich meine Geschichten nicht mit Farbbildern illustrieren kann. Das wäre zu teuer geraten. Also habe ich nach Schwarzweiß-Fotos gesucht und auf einmal daran Gefallen gefunden. Wir sind ja heute kaum noch in der Lage, schwarzweiß zu sehen. Jetzt illustrieren über 70 solcher Fotos das Buch.

Als ich das gedruckte Buch in der Hand hielt, fuhren meine Gefühle Achterbahn. Ich war stolz auf dieses Buch mit all seinen Geschichten. Froh war ich, durchgehalten zu haben. Und gleichzeitig kamen mir Zweifel: Wer will so etwas überhaupt lesen? Nach ein paar Tagen verschwanden die Zweifel. Der Stolz ist geblieben.

Reisejournalist Horst Schwartz (Foto: privat)
Reisejournalist Horst Schwartz (Foto: privat)

Horst Schwartz, gerade 80 Jahre alt geworden, bezeichnet sich selbst als „altes Schlachtross der Branche“. Knapp 50 Jahre arbeitet er als Reisejournalist, 40 Jahre davon für das von ihm gegründete Redaktionsbüro (das er seit 30 Jahren mit seiner Partnerin Sabine Neumann unterhält). Sein Erinnerungsbuch „…nur schade, dass sie hinkt!“ mit „kurzen Geschichten aus einem langen Reiseleben“ ist im Verlag tredition in drei identischen Fassungen erschienen: als Hardcover, als Taschenbuch und als e-Book.

Kurze Geschichten aus einem langen Reiseleben

Das Buch ist im Verlag tredition erschienen, und zwar in drei identischen Fassungen: als Hardcover [19,80], als Taschenbuch [14,90] und als eBook [7,99].

Horst Schwartz ...nur schade, dass sie hinkt!
Horst Schwartz …nur schade, dass sie hinkt!

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