Per Spagat aus dem Teufelskreis?

Über Reisen berichten

Wir Reisejournalisten stecken in der Klemme. Lust aufs Reisen machen? In Zeiten von Klima-wandel und Medienkonzentration stellt sich immer öfter die Frage, wo und ob unsere Beiträge noch Veröffentlichungschancen haben, und ob wir von den Honoraren leben können.

Ein Kommentar von Rüdiger Edelmann, Vorsitzender der VDRJ

Spätestens seit Fridays for Future weiß auch der Letzte, dass es dringend notwendig ist, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und Klimaneutralität zu schaffen. Es hat sich auch herumgesprochen, dass wir dieses Ziel nur mit Veränderungen erreichen werden. Die Nutzung von erneuerbarer Energie steht dabei im Fokus. Ohne Solarstrom, ohne Brennstoffzellentechnik aus Wasserstoff, der ökologisch erzeugt wurde, ohne neue Antriebstechnologie wird das nicht klappen; ohne sparsamen Umgang mit unserem Energieverbrauch erst recht nicht. Gleichzeitig wissen wir auch, dass bewussterer Energieverbrauch nur mit neuer Technologie zum Erfolg führen wird.

Das Verbieten von Mobilität wäre zwar zielführend, aber um welchen Preis? – Wir erinnern uns an den Fall der Mauer und an eine der großen Errungenschaften, die er für 17 Millionen DDR-Bürger mit sich brachte. Die erkämpfte (Reise-)Freiheit abzuschaffen geht gar nicht. So weitermachen und auch weiterschreiben wie bisher, wird im Reisejournalismus ebenfalls nicht funktionieren.

Andere Ziele und Themen

Die Fragen, die sich der Urlauber stellt, müssen auch unsere Fragen sein. Journalistische Arbeit bedeutet, nicht nur die Fragen öffentlich zu stellen, sondern auch Antworten zu suchen und zu finden. Es gilt, Reiseverhalten und -angebote auf den ökologischen Prüfstand zu stellen, über erfolgversprechende Projekte zu berichten und der Tourismusindustrie kritische Fragen zu stellen. Wir müssen lernen, unbequem zu sein: bei Airlines, Kreuzfahrtreedereien, Reisekonzernen und achtlosen Urlaubern. Ein gesundes Maß an Reisen muss möglich bleiben. Ein ungesundes Maß an ökologischer Verschwendung gilt es zu benennen. Das bedeutet, weder Umweltsauereien zu ignorieren noch das Schwarz-Weiß-Denken zu fördern.

Genaue Recherche muss ihren journalistischen Niederschlag finden. Über technische Initiativen und Alternativen müssen wir genauso berichten, wie über den touristischen Wildwuchs. Es gilt herauszufiltern, was geht und was nicht mehr gehen kann. Dabei müssen wir auch unsere eigene Reisetätigkeit überprüfen, denn nur wer mit gutem ökologischem Gewissen verreist, kann es sich erlauben, den Finger in die Wunde zu legen.

Relevant und unabkömmlich

Wir sind uns darüber im Klaren, dass Reisejournalisten allein die Welt nicht retten werden. Versuchen müssen wir es trotz-dem, genau wie jeder andere. Den Teufelskreis im Umgang mit den Auftraggebern, den Verlegern und Sendebetrieben, ist damit noch nicht durchbrochen. Dies ist eine weitere Baustelle. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass Reisejournalismus weit mehr ist, als das schmückende Beiwerk zur Werbung. Wir haben, gerade jetzt, eine Funktion. Und die darf nicht länger ignoriert werden.

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