EU-Monster A1-Bescheinigung

Pressereise-Radtour im Trierer Land: Wer in Langsur über die Brücke fährt, ist in Luxemburg. A1 Bescheinigung dabei? (Foto: Heidrun Braun)
Pressereise-Radtour im Trierer Land: Wer in Langsur über die Brücke fährt, ist in Luxemburg. A1 Bescheinigung dabei? (Foto: Heidrun Braun)

Wer in einem EU-Land eine Beschäftigung aufnimmt, muss die A1 Bescheinigung dabei haben, sonst kann das drastische Geldstrafen zur Folge haben. Das gilt auch für Pressereisen – eine Horrorvision.
Von Otto Deppe

Eines muss man den Bürokraten in Brüssel schon lassen: Sie sind höchst erfindungsreich, den Bürgern in der Europäischen Union das Leben schwer zu machen. Und die einzelnen Nationen, also auch Deutschland, spielen munter mit. Da gibt es die ominöse A1 Bescheinigung, die jeder mit sich führen muss, wenn er in einem EU-Land eine Beschäftigung aufnimmt, und sei sie auch noch so kurz. Diese Vorschrift gilt übrigens auch für die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island.

A1 gilt auch für Pressereisen

Die Grundidee ist nicht falsch. Mit der Bescheinigung soll sichergestellt werden, dass jeder bei einer Tätigkeit im EU-Ausland in seinem Heimatland sozialversichert ist, damit keine zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Daraus ist allerdings ein Bürokratiemonster entstanden, das jeden vernünftigen Rahmen sprengt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG schreibt dazu auf ihrer Webseite: „Dies bedeutet, dass für jede noch so kurze grenzüberschreitende Tätigkeit ab dem ersten Tag eine A1 Bescheinigung notwendig ist.“ Auch für Teilnehmer an Pressereisen, Recherche-Touren, Konferenzen oder Seminaren. Das heißt im Klartext: Jeder beruflich bedingte Grenzübertritt erfordert die Mitführung einer A1 Bescheinigung.

Diese Vorschrift gibt es bereits seit 2010, aber jetzt bekommt sie eine besondere Brisanz, da besonders in Frankreich und Österreich verschärfte Kontrollen angekündigt und zum Teil auch durchgeführt werden. Es drohen drastische Bußgelder. Von bis zu 10.000 Euro ist die Rede, also kein Pappenstiel. Da ist ein Unternehmen in Bayern noch glimpflich davongekommen, das bei einer Kontrolle in Österreich 550 Euro Strafe zahlen musste, wie der Bayerische Rundfunk berichtete.

Zuständigkeiten sind verworren

Um es noch einmal klar herauszustellen: Die Bescheinigung ist vor der Reise zu beantragen und muss mitgeführt werden. Das gilt auch für Journalisten, besonders aber für Reisejournalisten, die jedoch oft kurzfristig an einer Pressereise ins EU-Ausland und andere A1-Länder teilnehmen. Das aber ist rechtswidrig, denn nach der Rechtslage hätten sie sich vorher die Bescheinigung besorgen müssen oder ihr Arbeitgeber hätte vorher eine A1 Bescheinigung beantragen müssen.

Auch die Zuständigkeiten für die A1 Bescheinigung sind ziemlich verworren. Für alle gesetzlich Versicherten sind die jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen vom Arbeitgeber zu kontaktieren; oder man muss sich als freiwillig Versicherter oder als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse im Rahmen der Familienversicherung selbst darum kümmern.

Für alle anderen, also im Wesentlichen privat Versicherte und damit auch viele Freiberufler, ist die Deutsche Rentenversicherung zuständig, um es vereinfacht auszudrücken. Aber auch die Arbeitgeber bekommen große Probleme mit der Umsetzung der Verordnung. Seit dem 1. Juli 2019 können Anträge, abgesehen von einigen Ausnahmen, nämlich nur noch elektronisch gestellt werden. Dafür brauchen Unternehmen aber ein spezielles Programm, das mit einigen Tücken versehen ist.

Bearbeitung kann lange dauern

Selbstständige dagegen müssen weiter mit Papier arbeiten, was den Vorgang nicht gerade beschleunigt. Die Dauer der Bearbeitung, so die zuständigen Stellen, ist unterschiedlich. Die gesetzlichen Krankenkassen können sich dafür per Gesetz drei Tage Zeit lassen, so die Antwort des Spitzenverbandes der GKV. Allerdings sieht die Realität ganz anders aus. Die Bearbeitung der Anträge kann erheblich länger dauern. Beamte oder Angestellte im Öffentlichen Dienst können sich übrigens nicht entspannt zurücklehnen. Die Vorschrift kennt keine Ausnahmen, so die Auskunft des Spitzenverbandes der Krankenkassen.

Eigentlich gibt es keine Ausnahmen von der A1 Regelung. Aber hier stellt das in Deutschland zuständige Ministerium für Arbeit und Soziales fest: „Bei kurzfristigen oder kurzzeitigen Dienst- oder Geschäftsreisen kann die A1 Bescheinigung im Bedarfsfall nachträglich beantragt werden.“ Das klingt zunächst mal gut, zumal unter „kurzzeitig“ etwa eine Woche zu verstehen ist. Aber man sollte sich in solchen Fällen nicht zu sicher fühlen.

Ignoranz kann teuer werden

Denn in derselben Mitteilung des Ministeriums heißt es im schönsten Bürokratendeutsch: „Soweit eine Pflicht zur Beantragung einer Bescheinigung A1 nach nationalem Recht im Zielstaat besteht, kann der Verzicht der vorherigen Antragstellung auch in Ausnahmefällen nicht empfohlen werden.“ Hier muss man sich im jeweiligen Zielland schlau machen. In der dortigen Landessprache und mit den vor Ort geltenden Antragsformularen. Oder eben gleich einen Antrag in Deutschland stellen.

Unter der Hand raten manche Stellen auch, die Vorschrift einfach zu ignorieren, wenn es um ganz kurze Tätigkeiten im Ausland geht. Mit dem Risiko, aufzufallen und zur Kasse gebeten zu
werden, besonders in Frankreich und Österreich. Es gibt auch die Empfehlung, den Antrag zu stellen, um dann ohne Bescheinigung aber mit einer Kopie des Antrages die Reise anzutreten. Der mitgeführte Antrag ist dann sozusagen ein Zeichen des guten Willens. Was aber auch nicht hilft, wenn der Zoll im Ausland auf stur schaltet.

Bleibt die Schlussfeststellung: Wer hat sich diesen Schwachsinn ausgedacht? Vielleicht sollten alle Betroffenen mal Druck bei der Politik machen. Erste positive Ansätze gibt es bereits
in Thüringen, wo die FDP zumindest eine Befreiung von der A1 Bescheinigung fordert, wenn die Auslandseinsätze weniger als vier Wochen dauern. Dazu gibt es auch eine Bundestagspetition, in der Erleichterungen zur A1 Bescheinigung auf EU-Ebene gefordert werden. Allerdings konnte bisher keine Einigung dazu gefunden werden, was eine Dienstreise ist. Macht der Taxifahrer in grenznahen Bereichen eine Dienstreise oder befördert er nur kurzfristig einen Passagier über die Grenze? Vermutlich müssen sich darüber wieder Heerscharen von Bürokraten den Kopf zerbrechen, denn in Brüssel kann man ganz schön stur sein. Der Bürger aber fragt sich, welchen Sinn haben Bürokratiemonster, die den Bezug zur Realität verloren haben?

Alles klar!?

Falls jetzt noch Fragen offen sind, gibt es immerhin eine Stelle, die freundlich und kompetent zu allen A1-Problemen Auskunft gibt.

GVK-Spitzenverband, Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA)
Pennefeldsweg 12 c, 53177 Bonn
Telefon: 0228 / 9530600

www.dvka.de
(siehe auch bei: Arbeitgeber & Erwerbstätige > FAQ > A1)

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