Eine besondere journalistische Leistung: „Umsatz: 51 Euro“

Ein Hotelbetrieb wie 25 Hours, im Bild das 25h The Royal Bavarian in München, ist nur noch im Katalog eine romantische Veranstaltung. Tatsächlich ist es ein komplizierter Immobilieninvestment-Case, an dem Bank, Besitzer und Betreiber gleichermaßen verdienen wollen. (Foto: 25h The Royal Bavarian/Steve Herud)

Die Hotelkette 25 Hours galt als Vorbild der Branche – jung, innovativ, wachsend. Nun kämpft das Unternehmen ums Überleben. Denn staatliche Hilfe gab es bislang keine.

Text: Simon Book

Katherina Klimke muss ihre Leute jetzt auf das Ende vorbereiten. Nicht auf das Ende des Hotels, aber auf das traurige Ende dieses traurigen Jahres. Klimke sitzt in der plüschigen Boilerman Bar im 25 Hours am Münchner Hauptbahnhof, grauer Wollpulli unter dem schwarzen Businesskostüm, vor sich eine Flasche Wasser und die Buchungszahlen der nächsten Woche. Anreisen heute: 9; Sonntag: 14; Montag: 29; Dienstag: 18; Mittwoch: 19; Donnerstag: 14; Freitag: 6.

Klimke hat 165 Zimmer zu füllen. Jeden Tag. Sie sagt: „Alles in allem ist die Lage überschaubar.“

Es ist ein Samstag im November, nachmittags um halb vier. Klimke hat ihre Abteilungsleiter versammelt, um den Rest des Jahres zu besprechen. Drei von elf sind gekommen, Sören, Tabea, Linda, die wichtigsten: Housekeeping, Rezeption, Sales und Marketing. Ein paar sind krank, andere im Resturlaub. Die Mitarbeiter sind ohnehin seit März in Kurzarbeit. Azubis und studentische Aushilfen schmeißen gerade den Laden.

Ein paar Tage später werden Bund und Länder die neuen Corona-Regelungen verabschieden, aber Klimke hat schon gehört, worauf es hinauslaufen wird: Der Teil-Shutdown wird bis zum 23. Dezember verlängert, dann soll das Reisen für die Tage um Weihnachten wieder erlaubt sein, um im Januar wieder eingeschränkt zu werden. „Bitte tut alles, um den Verlust in euren Bereichen so gering wie möglich zu halten“, mahnt Klimke. „Hinterfragt jede Ausgabe. Wir machen nur, was unbedingt notwendig ist.“

Der Fettabscheider in der Küche etwa muss dringend gewartet werden. Das kann nicht warten, sonst gibt es kein Essen für den Abholservice. Die kaputte Eismaschine indes wird erst mal nicht repariert. Die 3.000 Euro hat sie gerade nicht übrig.

Zwölf Hotels betreibt die 25-Hours-Gruppe, kurz 25h. In den vergangenen 15 Jahren wurde fast jedes Jahr ein neues eröffnet. In Hamburg, Frankfurt, Zürich und Berlin, in Wien, Köln oder Düsseldorf. Kopenhagen und Florenz sollten 2021 hinzukommen. Vor einigen Jahren stieg die französische Hotelkette Accor ein, um die internationale Expansion zu finanzieren, Dubai und Sydney. Das war der Plan.

Bis vor wenigen Monaten galt 25h als Vorzeigeobjekt, als Inspiration für die ganze Branche. Im überversorgten Hotelbusiness gelang es, mit kreativem Marketing und Markenpflege eine kleine, aber feine Lifestylekette aufzubauen, beliebt bei designbewussten Geschäftsleuten und hippen Städtetouristen. Jedes Haus hat 120 bis 220 Zimmer, immer Innenstadtlage, immer ein eigenes Thema, ein eigenes Design.

Die Herberge am Louis-Pasteur-Platz in Düsseldorf etwa ist eine Hommage an Frankreich, im 25h am Berliner Zoo blickt man von der Monkey Bar hinunter auf das Affengehege, in München lebt König Ludwigs Bayern in Leuchten, Wasserhähnen und Tapeten so originalgetreu wieder auf, dass die Wittelsbacher zwischenzeitlich ihre Markenrechte verletzt sahen.

Ein Konzept, wie geschaffen für die Hochkonjunktur. Schon kurz nach der Lehman-Krise investierten die Unternehmen wieder in teure Geschäftsreisen. Urlaub in Deutschland erlebte einen Aufschwung, vor allem die Städte boomten. Allein in Berlin hatte sich die Zahl der Übernachtungen zwischen 2006 und 2019 auf 34 Millionen mehr als verdoppelt.

„Wir hatten 2019 das beste Jahr überhaupt, waren weit, weit über Plan. Wir fanden uns schon supercool, haben uns selbst gefeiert“, sagt Klimke. „Und dann wird einem von heute auf morgen das Licht ausgeknipst.“

Wie soll es nun weitergehen? Wie umgehen mit den Folgen dieser unverschuldeten, unvermittelten Katastrophe, unter der die ganze Wirtschaft ächzt und leidet, die aber kaum eine Branche so hart trifft wie das Gastgewerbe? Seine 2,5 Millionen Beschäftigten erwirtschafteten zuletzt mehr als 90 Milliarden Euro. Dann kam Corona und machte alle Fantasien zunichte.

Am Ende dieses Jahres wird ein durchschnittliches Hotel in Deutschland de facto sechs Monate geschlossen gewesen sein, allenfalls im Notbetrieb ein paar Geschäftsreisende beherbergt haben. Das können auch die gesündesten Unternehmen kaum überstehen. 70 Prozent der Hoteliers sehen ihre Betriebe mittlerweile in existenziellen Nöten. Wenn Dehoga-Chefin Ingrid Hartges die aktuelle Stimmung in der Branche beschreiben soll, findet sie drei Worte: „Wut. Verzweiflung. Trauer.“

Noch ist nicht klar, wann es im neuen Jahr wieder losgeht und wer bis dahin durchhält. Geschweige denn, wie die Welt danach aussieht. Konzerne streichen ihre Reisebudgets zusammen, stellen um auf Videokonferenzen. Städte gelten plötzlich als zu eng und zu voll. 25 Hours hat also nicht nur ein akutes Problem, sondern ein grundsätzliches.

Ein paar Tage nach dem neuen Shutdown melden sich Christoph Hoffmann und Bruno Marti per Videoanruf aus den Schweizer Bergen. Der eine, Hoffmann, ist Gründer und Geschäftsführer der 25-Hours-Gruppe. Der andere, Marti, verantwortlich für die Marke und die Ansprache der Kunden. Beide sind von ihrem Schreibtisch geflüchtet. Marti, in Zürich zu Hause, ist nach Davos gefahren, gleich will er das Jakobshorn bewandern. Wahlschweizer Hoffmann sitzt auf dem Balkon seines Chalets nahe Gstaad, in der Hand einen Cappuccino, hinter ihm ein Postkartenpanorama.

Sie gäben hier ein völlig falsches Bild ab, fürchtet Marti. „Man könnte meinen, wir sonnen uns hier oben, während das Unternehmen da unten in Trümmern liegt.“ Direkt nach der Ankündigung der neuen Reiseeinschränkungen im November haben die beiden ihre Hoteldirektoren zusammengerufen, sie sollten alle Mitarbeiter nach Hause schicken, die nicht unbedingt notwendig sind. In der Zentrale haben sie die Kurzarbeit von 70 auf durchschnittlich 95 Prozent ausgedehnt. Die Konzepte, wie so etwas geht, liegen ja seit dem Frühjahr in der Schublade. Hoffmann und Marti hatten gehofft, sie vor Weihnachten nicht mehr rausholen zu müssen.

Anfangs hatte das Unternehmen das Kurzarbeitergeld noch auf 90 Prozent des ursprünglichen Lohns aufgestockt. Der ist in der Branche ohnehin nicht üppig. Doch schon seit dem Sommer ist das nicht mehr drin. Stattdessen laufen nun alle befristeten Verträge aus, werden Probezeiten vorzeitig beendet, Elternzeitvertretungen nicht nachbesetzt. So mancher Azubi überlegt, seine Ausbildung freiwillig zu verlängern, um nur ja gerade keinen Job suchen zu müssen. Von 935 auf 819 ist die 25h-Mannschaft geschrumpft.

Und nun? „Scharade spielen“, frotzelt Hoffmann. „Man weiß nicht mehr, was man noch machen soll“, sagt Marti.

Bei 25h in München etwa lag die Belegung im November bei 20 Prozent, unter der Woche haben sie inzwischen wieder 30 bis 40 Prozent Auslastung. Am Wochenende aber, wenn kaum Geschäftsleute in die Stadt kommen, geht es gegen null.

Viel schlimmer: Auch die Rate ist abgesackt. Üblicherweise würde Direktorin Klimke um diese Jahreszeit 160 Euro pro Nacht verlangen, derzeit sind nur etwas mehr als 100 durchsetzbar. Große Firmen lassen Rahmenverträge für das kommende Jahr auslaufen, Messegesellschaften verzichten auf Vorbuchungen, private Feiern gibt es kaum noch. Immerhin kommen die Leute von ProSieben regelmäßig, um Teile ihrer Klatschsendung „taff“ zu drehen. Das bringt jedenfalls ein bisschen Geschäft.

Selbst eine Septemberdurchschnittsbelegung von 65 Prozent reichte etwa im Münchner 25h-Haus (im Bild die Pfauen-Suite) nicht aus, um Gewinn zu erwirtschaften. Zu hoch die Pacht, zu niedrig die Durchschnittsrate. (Foto: 25h The Royal Bavarian/Steve Herud)

Tatsächlich läuft es in München noch vergleichsweise gut. In Frankfurt, wo 25 Hours gleich zwei Hotels betreibt, waren über Wochen mehr Angestellte als Gäste im Haus. Eine Million Übernachtungen fallen in der Stadt allein im Dezember weg. Anfang des Monats beschlossen Hoffmann und Marti, eines der beiden Häuser dort vorerst zu schließen, ebenso je eines der beiden in Zürich und Hamburg sowie das Hotel in Paris. Die Zahlen waren einfach zu schlecht.

  1. November, Hamburg Altes Hafenamt. Umsatz Restaurant: 681 Euro, Umsatz Hotel: 146 Euro, netto.
  2. November, Frankfurt Hanauer Landstraße. Umsatz Restaurant: 82 Euro, Umsatz Hotel: 51 Euro, netto.
  3. November, Zürich West. Umsatz Restaurant: 380 Euro, Umsatz Hotel: 91 Euro, netto.

Elf Millionen Euro wollte 25h in diesem Monat einnehmen. Geworden sind es keine anderthalb.

Bislang hat 25h in Deutschland und in der Schweiz keine Zuschüsse erhalten. Zwar sind nach 15 Jahren Wachstum ein paar Reserven da. Allerdings schwinden sie mit jedem Monat. Im Dezember konnten Hoffmann und Marti endlich einen Antrag auf die Novemberhilfe stellen. Allerdings ist diese bei 750.000 Euro gedeckelt. Der Deutschlandumsatz der Gruppe beträgt in einem normalen Monat rund das Zehnfache.

Für größere Unternehmen ist die sogenannte Novemberhilfe plus gedacht, die hat die Bundesregierung versprochen, bislang aber nicht umgesetzt. Für die meisten anderen Hilfsprogramme war 25h mit 123 Millionen Euro Jahresumsatz zu groß. Eine staatliche Unterstützung müsste in diesem Fall durch die EU-Kommission geprüft werden, das Beihilferecht verbietet sie eigentlich.

Einklagen können die Hoteliers die Staatshilfe kaum. Schließlich sind ihre Herbergen ja weiter geöffnet. Es kommt nur keiner.

So werden viele die Krise nicht überleben. Schon vor Corona waren die Überkapazitäten in den Städten groß. Allein in Hamburg sollen im kommenden Jahr 21 neue Hotels eröffnen. Schwer vorstellbar, dass ihre Businesspläne aufgehen.

Im Sommer waren sie bei 25h noch guter Dinge, zu denen zu gehören, die mit einem blauen Auge aus der Krise kommen. Da saß Marketingmanager Marti auf der gut besuchten Terrasse des Hotels in der Hamburger HafenCity, im Gepäck die aktuellen Zahlen. Erstmals stellte sich nach dem ersten kompletten Shutdown im Frühjahr wieder so etwas wie Normalität ein: Deutschland atmete auf, die Leute reisten wieder in die Städte. Martis Tabellen wiesen Belegungsraten von 60, 70, 80 Prozent aus. In Hamburg, Berlin, selbst Düsseldorf holte er die Mitarbeiter aus der Kurzarbeit, die Umsätze in den Restaurants lagen über den Erwartungen, hier und da wurden Überstunden geschoben.

Corona fühlte sich an diesem Tag wie ein Spuk an. Marti schmiedete Pläne: eine Käsefondue-Woche in Hamburg, ein Weihnachtsmarkt in München, ein Pizzaevent in Zürich.

Hoffmann, zuständig für die großen, ausschweifenden Ideen, philosophierte nur Wochen danach bei einem Abendessen über die neue Unabhängigkeit der Menschen nach Corona, über urbane, digitale Nomaden, die sich überlegten, wo sie arbeiten und leben wollten. „Wir gestalten unser Haus in Florenz jetzt so, dass man dort auch mehrere Wochen verbringen kann“, sagte Hoffmann. „Daraus kann eine Energie für neue Trends entstehen.“

Keine 14 Tage später kehrte der Corona-Blues zurück. Selbst eine Septemberdurchschnittsbelegung von 65 Prozent reichte etwa im Münchner Haus nicht aus, um Gewinn zu erwirtschaften. Zu hoch die Pacht, zu niedrig die Durchschnittsrate.

Ein Hotelbetrieb wie 25 Hours ist nur noch im Katalog eine romantische Veranstaltung. Tatsächlich ist es ein komplizierter Immobilieninvestment-Case, an dem Bank, Besitzer und Betreiber gleichermaßen verdienen wollen. Moderne Häuser müssen flexibel auf die Wünsche ihrer Gäste und die Trends im Tourismus reagieren. Zugleich wird ihr finanzielles Korsett immer enger: Ein 25-Hours-Pachtvertrag läuft 20 bis 25 Jahre. Die Miete ist entsprechend kalkuliert.

Grundlage des Businessplans ist eine Belegung um die 80 Prozent, bei einem Preis von 140, 150 Euro je Übernachtung. Die Zimmer sind ausgelegt für einen durchschnittlichen Aufenthalt von 1,25 Tagen – und auch so dimensioniert. Allein reisende Geschäftsleute brauchen selten eine Badewanne.

Corona war in all diesen Rechnungen nicht vorgesehen. Nach zehn Monaten sparen, sagt Hoffmann, „müssen wir an die Hardware ran“.

Soll heißen: an die Immobilien. In Städten wie Frankfurt oder Zürich wird es absehbar eine geringere Nachfrage nach Hotels geben, gleichzeitig bleibt der Bedarf an Wohnraum hoch. Warum also, lässt Hoffmann seine Gedanken kreisen, nicht die Hotels in Studentenwohnheime ummodeln? Die Lobby würde zum Aufenthaltsraum, die Küche zum gemeinschaftlichen Kochen hergerichtet.

Nur lassen sich damit kaum dieselben Renditen erzielen. Und für die nötigen Umbauten hätte 25 Hours derzeit auch kein Geld, Verpächter und Banken müssten mitspielen. Momentan aussichtslos.

Realistischer ist schon Hoffmanns andere Idee. An einem diesigen Morgen macht sich der Chef in seinem BMW X4 aus Zürich auf ins Umland. Es geht am See hoch zum „Ernst vom Gartenparadies“. Eigentlich heißt der Mann Erwin. Erwin Meier, Besitzer eines der größten Gartencenter der Schweiz. Mit seiner Hilfe will Hoffmann sein Problemhotel Zürich West in einen grünen Dschungel umbauen.

Eine „Weltidee“, sagt Hoffmann. Weil sie lokal ist und dennoch überall funktionieren könnte. Die Bewohner des Neubauquartiers hinter dem Hotel sollen künftig ihre Balkonpflanzen im 25 Hours kaufen, auf einen Kaffee bleiben, vielleicht etwas essen, ein Buch lesen. Das Haus würde zum Wohnzimmer des Viertels, hofft Hoffmann.

Das bringt vielleicht keine neuen Übernachtungsgäste, aber immerhin Laufkundschaft für das Restaurant. Und: Besser als der aktuelle Leerstand wäre es allemal. Die letzten beiden Gastronomen hatten den Standort enttäuscht aufgegeben, schon vor Corona. Es ist eine gedankliche Flucht aus der Krise. Ein Projekt, an dem sie sich einen Augenblick lang festhalten können.

Die Meiers vom Gartencenter sind nicht gerade begeistert. „Ihr könnt über uns eine neue Klientel gewinnen, neue Käuferschichten“, wirbt Hoffmann. Erwin Meiers Schwester, zuständig für die Finanzen, schaut skeptisch, wägt den Kopf, sagt langsam fragend: „Jaa?“ Hoffmann: „Wir wollen, dass die gesamte Gartenwelt von Meier auf unserer Fläche einzieht.“ Es gehe darum, „gemeinsam eine gute Geschichte zu erzählen“. Interessant, findet Frau Meier. Allerdings habe das Ganze einen Haken: Die Miete in Zürich sei so hoch, dass es bei den knappen Margen eines Gartencenters fast unmöglich sei, dort Gewinn zu erwirtschaften. „Das wäre für uns ein reines Werbeinvestment.“

Hoffmann fährt mit gemischten Gefühlen heim. Kurz darauf unterschreibt Erwin Meier den Mietvertrag für den Dschungel. Im März soll Eröffnung sein. Entweder wird das Ganze ein Flop. Oder eine Blaupause für andere Häuser. „2021 fängt gut an. Wenn jetzt noch der Impfstoff rechtzeitig kommt, könnte es ab Ostern wieder richtig losgehen“, hofft Hoffmann.

Und wenn nicht? Wenn am Ende doch das Geld ausgeht?

In München versammeln sich die 25-Hours-Gesellschafter zu einem Jahresendtreffen. Inzwischen dürfen Hotels zumindest ihre Übernachtungsgäste wieder verköstigen. Hoffmann, bestrebt, sich von der Krise den Genuss nicht verderben zu lassen, lässt auffahren. Dann holt er ein kleines, gelbes Notizbuch hervor. Er hat zwei Themen mitgebracht, über die er sprechen möchte: Zuschüsse und Bankbürgschaften. Es geht ans Eingemachte, es geht ans Geld.

Die Versicherung hat der Gruppe 15 Prozent des entstandenen Schadens durch den ersten Lockdown im Frühjahr angeboten, etwa eine Million Euro aus einer entsprechenden Klausel in der Police. 25 Hours hat abgelehnt, verlangt ein Vielfaches. Seither streiten die Anwälte.

In der Schweiz hat die Gruppe einen Kredit bekommen: 500.000 Franken zu null Prozent Zins für zwei Jahre. Die deutsche KfW bot fünf Millionen zu zwei Prozent. Noch haben sie das Geld nicht in Anspruch genommen, allein die Bereitstellung würde viele Tausend Euro kosten. Und damit wäre das Problem nicht gelöst, sondern nur verschoben.

Mit am Tisch sitzen an diesem Abend Kai Hollmann und Stephan Gerhard. Zusammen mit Ardi Goldman, der zwischenzeitlich wegen Bestechung im Gefängnis saß und seine Anteile abgeben musste, haben sie 25 Hours 2005 gegründet.

Hoffmann tingelte damals durchs Land, verzweifelt auf der Suche nach jemandem, der ihm Häuser für die ersten Hotels verpachten wollte. „Ohne Bank im Rücken hatte ich keine Chance“, sagt er. „Die haben alle dankend abgewinkt.“ Irgendwann fand er doch einen Mitstreiter: Goldman, Besitzer mehrerer Häuser in Frankfurt und immer bereit, etwas auszuprobieren. Nach diesem Erfolg, sagt Hoffmann, hätten ihm die Banken die Bürgschaften von sich aus angedient.

Erinnerungen an bessere Zeiten. Nun geht es darum, das gemeinsam Erbaute zu retten. Weitere Schließungen will der Geschäftsführer unbedingt vermeiden. Um die Gruppe flüssigzuhalten, soll es noch einmal Gespräche mit einigen Vermietern geben. Bislang haben die wenigsten auf Pacht verzichtet, stattdessen Stundungen angeboten, mitunter zu horrenden Zinssätzen. Notfalls, findet Hoffmann, sollten die Eigentümer frisches Geld bereitstellen.

„Unser größtes Problem sind die Bankbürgschaften“, sagt Hoffmann. Einige Banken wollten angesichts von Corona die Konditionen für die nächsten Projekte nachverhandeln, die Bürgschaft nur für ein komplettes Jahr geben. Und auch nur, wenn die Gesellschafter in ähnlicher Höhe Bargeld als Sicherheit hinterlegten.

Wie Hoffmann sich das denn vorstelle, fragt Gerhard. Dann könne man ja gleich selbst investieren. Ob es vielleicht helfe, wenn die drei Gesellschafter gemeinsam bei der Bank vorstellig würden? Hoffmann nickt: Ja, kann man versuchen. „Damit“, sagt er, „sind wir dann wieder genau da, wo wir vor 15 Jahren angefangen haben.“

Die Spiegel-Reportage „Umsatz: 51 Euro“ erschien unter dem Titel „Und dann wird einem von heute auf morgen das Licht ausgeknipst“ im Dezember 2020 auch online auf Spiegel+. Sie wurde mit dem Columbus Autorenpreis 2020 in Gold für seine „Besondere journalistische Leistung“ ausgezeichnet. Mehr zum diesjährigen Autorenpreis-Jahrgang und der Arbeit der Jury finden Sie hier.

Dieser und alle weiteren ausgezeichneten Beiträge der Columbus Journalistenpreise der VDRJ für das Erscheinungsjahr 2020 für Text, Radio sowie Film sind hier auf einen Blick zum Nachlesen, Reinhören und Anschauen online verfügbar.

Nachgefragt bei Simon Book, dem Preisträger für die „Besondere journalistische Leistung

Simon Book (Foto: Der Spiegel/Tim Wegner)

Mona Contzen: Warum haben Sie sich für Ihre Geschichte die Hotellerie ausgesucht? Es gibt ja viele Branchen, die dramatisch unter der Krise leiden.

Simon Book: Ich liebe das Reisen und das Unterwegssein. Und ich mag Hotels. Es sind besondere Orte. Meine Frau hat selbst einmal Hotelfachfrau gelernt und obwohl sie schon lange nicht mehr in dieser Branche arbeitet, können wir beide glaube ich gut nachvollziehen, was es für die Angestellten bedeutet, unter den aktuellen Umständen im Gastgewerbe zu arbeiten. Es ist schon zu normalen Zeiten aufreibend, erfordert besondere Einsatzbereitschaft und Begeisterung. Nun noch mehr. Das wollte ich besser verstehen – und natürlich damit auch eine Branche, der es in den vergangenen Jahren sehr gut ging und die aktuell besonders hart getroffen ist.

Wie hat sich die aktuelle Situation auf Ihre Arbeitsweise und die Recherche ausgewirkt?

Natürlich konnten nicht alle Termine vor Ort stattfinden. Viele aber schon. Journalisten können ja weiter reisen und vor Ort arbeiten. Und ich halte das – gerade für Geschichten wie diese – für sehr wichtig. Das Management von 25 Hours kenne ich schon etwas länger, habe Teile von ihm schon im Sommer getroffen. Ende Oktober dann habe ich den CEO gefragt, ob ich Ihn und seine Mannschaft nicht durch den (damals noch geplanten) einen Monat Lockdown begleiten dürfte. Daraus ist diese Recherche entstanden.

Konzerne streichen ihre Reisebudgets zusammen, Städte gelten als zu voll, schon vor Corona seien die Überkapazitäten in den Städten groß gewesen, schreiben Sie. Wie könnte der Städtetourismus nach Corona aussehen?

Ich glaube, dass zumindest die großen Städte anziehende Orte bleiben werden für viele Menschen. Die Besuchszahlen werden wieder steigen, sobald genug Menschen geimpft und die Beschränkungen aufgehoben sind. Gleichzeitig wird aber wohl das berufliche Reisen weniger werden. Videokonferenzen, Telefonate und mobiles Arbeiten haben zu einem Umdenken geführt. Das wird Veranstalter wie auch Hoteliers treffen. Es wird einen Strukturwandel geben. Und aus meiner Sicht spricht etwas dafür, dass es mittelmäßig ausgestattete, mittelgroße Häuser in Mittelstädten zuerst treffen könnte.

Wir danken dem Sponsor der Columbus-Autorenpreise 2020

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