Ein Nachruf auf Hans Eckart Rübesamen

Bis ins hohe Alter unterwegs: Dr. Hans Eckart Rübesamen mit 88 Jahren vor dem Montmartre. Einfach nur noch entdecken, nichts mehr schreiben müssen. (Foto: privat)
Bis ins hohe Alter unterwegs: Dr. Hans Eckart Rübesamen mit 88 Jahren vor dem Montmartre. Einfach nur noch entdecken, nichts mehr schreiben müssen. (Foto: privat)

Ich kann mich noch erinnern an meine erste Hauptversammlung bei der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten in den frühen 1980er-Jahren. Ein stattlicher, in meinen Augen uralter, distinguierter Herr mit Tweed Sakko und Goldrandbrille, so Typ Hofberichterstatter an den Royalen Residenzen, musterte mich wohlwollend-streng: „Soso, Sie sind jetzt also das Küken in unseren Club“. Ja, ich war Mitte 20 und er in der Blütezeit seines Wirkens: Dr. phil. Hans Eckart Rübesamen.

Er schrieb große Geschichten für den damaligen Goldstandard des Reisejournalismus, das Reiseblatt der FAZ, viel auch für die Süddeutsche, den Feinschmecker, die Brigitte, den Bayerischen Rundfunk, und unzählige regionale und lokale Blätter.

Dabei war auch er, wie fast wir alle, ein Seiteneinsteiger in die Berichterstattung über die große weite (und nahe) Welt: Angefangen hatte er nach der Promotion (in Kunstgeschichte) als Verlagsleiter in München. Doch bereits 1962, mit 35 Jahren, machte er sich selbständig, weil er endlich selbst schreiben wollte. Kunsthistorisches, Feuilletonbeiträge und eben auch Reisen. Seine erste Reisegeschichte hat er für „Westermanns Monatshefte“ geschrieben, falls die noch jemand kennt. Es ging um „Burgen in Südtirol“. Die erste Pressereise führte ihn zu einem frühwinterlichen Skikurs nach St. Moritz. Die Engadiner Skilehrer hatten eingeladen. Es war der Anfang eines langen Berufslebens als Reisejournalist, das erst vor 15 Jahren allmählich ausklang, da war er schon beinahe 80 Jahre.

Heute gibt es ja wenigstens das Internet, das nichts vergisst … Aber das Deprimierende für jeden Journalisten bis in die 1990er-Jahre hinein war, dass die Medien, für die man arbeitete, so vergänglich waren. Die Zeitung von gestern taugte nur noch für die Küchenabfälle, der Beitrag in den elektronischen Medien verschwand nach der Ausstrahlung in staubigen, unzugänglichen Archiven. Als Journalist konntest du nur überdauern, wenn du ein Buch schriebst. Und das tat Dr. Rübesamen ausgiebig. Sein Reiseführer über München wird bis heute als einer der schönsten gelobt. Der legendäre „Bayerische Wirtshausführer“ aus den 1970er Jahren wurde mehrfach neu aufgelegt. Einige weitere Titel aus seiner Bibliothek sind z. B. „Aus dem oberen Bayern . Lieblingslandschaften in Miniaturen“ (Verlag J. Berg), „2000 – drüber und drunter. Bergabenteuer auf eigenen Wegen“ (Panico Verlag) und „Kilimandscharo. Der Berg und seine Landschaft“ (Bertelsmann), vor allem aber „Glacier Express. Traumreise im langsamsten Schnellzug der Welt“ (Berg und Tal Verlag), ein echter Longseller.

In den 1980er- und 1990er-Jahren war Hans Eckart Rübesamen mit einer Handvoll anderer Kolleginnen und Kollegen omnipräsent in den Medien. Denn, so wenig glamourös es sich auch anhören mag, er war ein Meister der Zweit- und Drittverwertung. Jede Geschichte wurde von ihm mehrfach umgearbeitet und nach einem raffinierten System immer weiter angeboten – von den landesweiten Medien, über überregionale, bis hin zu den Lokalzeitungen. Plus immer noch mindestens eine Hörfunkversion vor allem für den Bayerischen Rundfunk. Anders hätte er seine fünfköpfige Familie wohl auch kaum ernähren können. Tochter Annette, selbst Journalistin und in späten Jahren oft seine Co-Autorin bei großen Projekten, erinnert sich noch an die Honorare vom Mannheimer Morgen: 60 Mark für einen Artikel, die immer vom Postboten bar ins Haus gebracht wurden.

Dr. Hans Eckart Rübesamen hat für seine Leser und Zuhörer wirklich die ganze Welt bereist, von Nepal über Australien bis Südamerika, von Grönland bis Afrika. Doch am allerliebsten wanderte er in den bayerischen Alpen. Deshalb war es sein größter Schicksalsschlag, dass er seit 2007, nach einer inneren Blutung, auf einem Bein gelähmt war. Gereist ist er trotzdem noch, voller Interesse, Freude und Begeisterung. Bis zuletzt war er kein Reporter, kein klassischer Reisejournalist. Er war und blieb ein Reisender, ein Beobachter, ein Schriftsteller.

Mit 93 Jahren ist er nun friedlich im Kreise seiner Familie zu seiner letzten Expedition aufgebrochen. Der Reisejournalismus hat ein Vorbild verloren.

Jürgen Drensek

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2 Kommentare

  1. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, Jürgen. Hans Eckart Rübesamen war ein wunderbarer Kollege, ein Grand Seigneur alter Schule. Er war ein wahrer Reiseschriftsteller mit einer feinen Beobachtungsgabe und einem klaren Blick auf das Wesentliche, aber auch auf die charmanten Details abseits des Hauptschauplatzes.
    1996 hat Hans Eckart hat bei mir Schicksal gespielt: Bei einer Pressereise nach Alaska fiel ein Kollege aus, woraufhin HER mich als Ersatz vorgeschlagen hat. Fast forward – mit unserem damaligen Gastgeber, einem Hotelier, feiere ich demnächst 15. Hochzeitstag.
    Über seine Tocher Annette habe ich kürzlich wieder Kontakt mit ihm aufgenommen. Am 6. Oktober, also vor genau drei Wochen, hat er mir eine zauberhafte E-Mail geschrieben. Gute Reise, Sir Hans Eckart!

    • das ist ja ein wunderbares Erlebnis, liebe Brigitte, WOW!, das wusste ich gar nicht… Aber ja, Hans Eckart war ein Mensch, bei dem man jedes Treffen genoss… und bei dem man sicher sein konnte, dass er die Zunft, egal, wo auf der Welt, und in welcher Situation, würdig vertritt…

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