„Eine Schande“ – Karl Born über das Jahr 2017.

Karl Born

Terror, Krisen, Pleiten  – aber mehr Reisen weltweit: Der VDRJ-Columbus Ehrenpreisträger und Tourismusmanager Professor Karl Born hat in der letzten travel tribune des Jahres (Ausgabe 50-51/17) verraten, wie er auf das ausgehende Jahr zurückblickt.

tt: War 2017 für die Tourismuswirtschaft ein schlechtes oder ein gutes Jahr?

Professor Born: Ich würde sagen, es war ein gutes Jahr – weltweit, aber auch für den deutschen Markt. Der hat sich, was die Zahl der Reisenden betrifft, dann doch recht positiv entwickelt – und konnte die Krise im Türkei-Tourismus mit Hilfe anderer Destinationen meistern.

Mit der Teilübernahme von Air Berlin scheint Lufthansa der Konkurrenz davonzufliegen. Ist Carsten Spohr der Manager des Jahres?

Das ist noch nicht ausgemacht. Im Moment ist er in der Tat der Manager des Jahres, der im Falle Air Berlin im Ergebnis alles richtig gemacht hat. Da war er gut vorbereitet und hat konsequent zugegriffen. Es kann aber immer noch sein, dass die EU querschießt: Und zwar ausgerechnet dort, wo ein Betriebsübergang stattgefunden hat – bei Niki. Das wäre für die Mitarbeiter dann wirklich bitter, um Weihnachten doch noch ihren Job zu verlieren.  

Lufthansa sieht sich dem Vorwurf der Preistreiberei ausgesetzt. Zu Recht?

Nein. Spohr ist sicher nicht hingegangen und hat die Preise hochgezogen. Aber er hat es laufen lassen. Das war nicht clever, weil er damit eine Diskussion losgetreten hat – und das Kartellamt, das ja bisher zu dem Ganzen schwieg, auf den Plan rief. Das hätte er sich sparen können, wenn er die Preise dort, wo sie wegen der Nachfrage besonders angestiegen sind, gedeckelt hätte. Aber Managern sagt man ja nach, dass sie von Natur aus gierig sind.

Der Gang Air Berlins in die Insolvenz war begleitet von allerlei Misstönen – angefangen von der Millionen-Absicherung für Thomas Winkelmann bis zu den Vorwürfen eines schmutzigen Deals. Ist an einzelnen Vorwürfen was dran?

Was die Absicherung von Herrn Winkelmann betrifft, das war einfach unanständig, dass er sich eine solche Zusage hat geben lassen. Winkelmann wird nun in jedem Jahresrückblick als raffgierige Manager auftauchen. Ich weiß nicht, ob ihm das etwas ausmacht, aber es ist extrem unschön – erst recht im Vergleich zu dem, was mit den Mitarbeiten von Air Berlin passiert. Was die anderen Vorwürfe angeht, kann ich zumindest verstehen, wenn da Zweifel aufkommen, ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Wieso?

Weil sich die Verantwortlichen immer wieder an entscheidenden Stellen weggeduckt haben. Nehmen Sie die Zusage Etihads, Air Berlin mindestens bis 2018 finanziell abzusichern. Es ist schon merkwürdig und lässt Raum für Verschwörungstheorien, wenn die Airline diese Zusage einfach zurücknimmt – und dies von der Politik stillschweigend akzeptiert wird.

Wirtschaftsministerin Zypries stellte sich ein ums andere Mal vor Lufthansa, sprach jetzt sogar von Lufthansa-Bashing. Und der Verkehrsminister Dobrindt wollte, noch vor der Insolvenz, sogareinen globalen Champion. Ist es angebracht, dass sich Politiker in solcher Nähe zur Industrie bewegen?  

Nein, das ist nicht in Ordnung. Klar soll ein Verkehrsminister etwas für die nationale Luftverkehrswirtschaft tun – was im Falle Dobrindt übrigens die gesamte vergangene Legislaturperiode nicht passiert ist. Aber sich jetzt derart für ein einzelnes Unternehmen stark zu machen – das ist unanständig. Gleiches gilt für Frau Zypries, die im Zusammenhang mit den Preiserhöhungen von Lufthansa-Bashing spricht, dabei ist es schließlich das Kartellamt, eine Behörde, die die Preispolitik untersucht.

Erst nach der Air Berlin-Pleite werden nun wieder Forderungen nach einer Insolvenzabsicherung  laut – doch die Airlines sagen wie immer Nein. Ist die Politik gefordert?

Dass die Airlines nicht wollen, liegt auf der Hand, deshalb ist natürlich die Politik gefordert. Und hat total versagt, genauso wie der DRV und die Verbraucherverbände, die hier schon viel früher ihre Stimme hätten erheben sollen – und nicht erst jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Was bedeutet der massive Einstieg von Easyjet und Ryanair auf dem deutschen Reisemarkt für die Veranstalter. Schichten die ihre Air Berlin-Kontingente jetzt alle um? Und bekommen vielleicht sogar – noch – bessere Preise?

Ob die einen besseren Preis bekommen, da bin ich mir nicht sicher. Ich gehe davon aus, dass auch Air Berlin zuletzt sehr gute Preise geboten hat. Der Einstieg von Easyjet, den find ich nicht schlecht, weil da mehr Wettbewerb in den Markt kommt. Das ist ein seriöses Unternehmen. Was wir nicht brauchen ist Ryanair. Der Low Cost Carrier ist keine Fluggesellschaft, die nach vernünftigen, marktwirtschaftlichen Regeln agiert. Es gibt doch überhaupt keine Zweifel, dass ihre Arbeitsbedingungen unsauber sind – und dass sie sich ihre Präsenz am Airport mit Steuergeldern subventionieren lassen. Solange das so bleibt, kann mir Ryanair gestohlen bleiben. Allerdings sehe ich da Bewegung.

Sie meinen die Streikandrohung der Piloten?

Genau. Streik bei Ryanair. Das ist die Waffengleichheit, die bisher gefehlt hat. Hier wird die Kehrtwende des Jahres eingeleitet, die dazu führen kann, dass Ryanair ein fairer Wettbewerber wird. Allerdings ist das ein Prozess, der seine Zeit braucht.

Auch auf dem Reiseveranstalter-Markt gab es mit der Insolvenz von JT ein spektakuläres Aus, in das jetzt Lidl springt: Kommt es nun zu einer Phase der Branchenkonsolidierung, von der branchenfremde Investoren profitieren?

Das würde ich nicht unbedingt sagen. Jasmin Taylor ist nicht typisch für die Branche. Sie ist – und da gibt es übrigens einige Parallelen zum Air Berlin-Macher Joachim Hunold – fulminant gestartet, hat Erfolg gehabt, dann aber verpasst, ihr Geschäft zu konsolidieren und ist konsequenterweise tief abgestürzt. Dass ihr nun reihenweise andere mittelständische Unternehmen folgen, glaube ich nicht, die meisten sind dann doch ganz gut aufgestellt.

Zuletzt hieß es oft, das Aus von JT läute auch das Ende des Geschäftsmodells des dynamischen Paketierens ein?

Auch daran glaube ich nicht. Es wird sicher schwieriger, aber das dynamische Paketieren wird nicht verschwinden. Im Gegenteil: Die großen Veranstalter machen das heute ja auch – sie nennen es nur nicht so.

Mitte des Jahres einigte sich die Regierung auf die Umsetzung der Pauschalreiserichtlinie – und die Verbände feierten den Kompromiss als erfolgreiche Lobbyarbeit. Zu recht?

Nein, im Gegenteil: Was da passiert ist, ist eine Schande. Das Thema stand ja – genauso wie die Gewerbesteuer-Hinzurechnung – schon vor vier Jahren auf der Agenda. Und da haben Sie von den Verbänden absolut nichts gehört. Der DRV hat das schlicht verschlafen, die Prozesse in der EU völlig falsch eingeschätzt und dann – als es endlich Bewegung aufkam – mit den falschen Leuten gesprochen. Pauschalreiserichtlinie, Gewerbesteuer-Hinzurechnung: Da sind Themen, die muss man ganz oben, bei Frau Merkel oder Herrn Schäuble, ablegen. Jetzt versucht der Verband sein Versagen zu kaschieren und lobt den Kompromiss, anstatt einmal Fehler und Versäumnisse einzugestehen. Aber Selbstkritik, das ist etwas, was Herrn Fiebig komplett fehlt.

Auch die Luftverkehrssteuer bleibt. Oder haben Sie da nach der Ära Schäuble Hoffnung?

Nein, da bin ich wenig optimistisch.

Der Türkei, aber auch Ägypten und Tunesien, sind lange die Urlauber davon gelaufen. Jetzt das Comeback: Was heißt das für die Gewinner wie Griechenland und Spanien, die von den Krisenländern lange profitierten?

Man muss sich das Comeback der Länder auch einmal genauer anschauen: Sind das wirklich deutsche Touristen, die wieder die Betten füllen? Oder doch eher russische oder arabische Urlauber? Ich glaube nicht an ein nachhaltiges Erstarken des Tourismus in der Türkei oder in Ägypten. Die Situation dort ist derart fragil, dass jede kleine Unregelmäßigkeit die Kunden wieder verunsichern wird. Von daher gehören Griechenland und Spanien auch nächstes Jahr wieder zu den Gewinnern. Spanien kann sich höchstens selbst abwürgen – mit überhöhten Preisen. 

Ein Wort des Jahres auch: Digitalisierung: Wo steht die Branche?

Digitalisierung ist ein tolles Schlagwort, aber: Der klassische Urlaub, die Hotelleistung, die Landschaft, die Menschen – all das ist unverändert analog. Hoch digital ist der technische Ablauf der Veranstalter und die Buchung der Kunden. Wer da nicht mitmacht, ist draußen. Das hat die Branche längst verstanden.

Auch der Klimawandel und die Verantwortung der Branche dafür könnte als Begrifflichkeit des Jahres durchgehen. Wird sie dem Thema und der Problematik gerecht?

Ja, wird sie. Umwelt war schon immer ein Thema der Touristik, muss Ihnen aber auch klar sagen, dass die Branche da nicht in der Pole-Position steht. Der Tourismus wird den Klimawandel nicht aufhalten, da sind ganze andere Industrien gefragt. Aber er muss seinen Beitrag leisten – und das tut er auch.

 

Wir veröffentlichen dieses Interview mit freundlicher Genehmigung der travel tribune.

 

 

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