Das Jahr 2020 war mit Sicherheit eines der turbulentesten Jahre für die gesamte Touristik. Für die Kreuzfahrtbranche, die Hotellerie, die Destinationen und die Luftfahrt versuchen sich Franz Neumeier, Valerie Wagner, Monika Fritsch und Ingo Busch an einem Blick in die Glaskugel und wagen einen Ausblick auf das Reisejahr 2021: Was wird wo wie möglich sein? Was sich wie nachhaltig verändern?
Kreuzfahrt: Gut aufgestellt, aber kritisch beäugt
Konsequente Infektionsschutzkonzepte haben sich seit dem Sommer bei weltweit rund 200.000 Passagieren bewährt: Die Hälfte der rund 100 bekannten Corona-Fälle an Bord entfällt auf zwei Situationen mit gröberen Verfehlungen. Die übrigen Fälle zeigen, wie gut Isolation, Kontaktverfolgung und Notfallmanagement funktionieren. Das trifft auch auf eine gewisse Dunkelziffer an unbekannten Fällen zu, die offensichtlich kein auffälliges Infektionsgeschehen ausgelöst haben. Sehr gute Voraussetzungen also für 2021.
Wie schnell die Kreuzfahrt im Frühjahr in größerem Umfang hochfahren kann, hängt in Europa vor allem vom Infektionsgeschehen ab. Denn hier akzeptieren die Behörden die Konzepte der Reedereien grundsätzlich. Am leichtesten tut sich die logistisch weniger komplexe Flusskreuzfahrt mit regional beschränkten Fahrtgebieten. Im wichtigsten Kreuzfahrtmarkt, den USA, ignoriert die Gesundheitsbehörde CDC dagegen die positiven Erfahrungen aus Europa und stellt derart rigide Anforderungen, dass die Reedereien den theoretisch seit November möglichen Neustart auf mindestens März verschoben haben.
Das Verhalten der großen US-Reedereien deutet darauf hin, dass die Kreuzfahrt im zweiten Quartal 2021 langsam wieder anlaufen könnte, wobei ab dem zweiten Halbjahr offenbar auch Kundenvertrauen und Buchungszahlen deutlich steigen. Deutsche und europäische Reedereien könnten in den ersten Monaten einen kleinen Notfahrplan aufrechterhalten und ab etwa April den Betrieb in größerem Umfang wieder aufnehmen. Corona-Tests vor der Reise, Maskenpflicht, Abstandsregeln, begrenzte Passagierzahl und strikte Hygienemaßnahmen werden trotz anlaufender Impfkampagne wohl noch länger bleiben. Wann im Laufe von 2021 wieder individuelle Landausflüge möglich sein werden, ist jedoch noch nicht absehbar.
Hotellerie: Mit Kreativität und Qualität punkten
Zwar stellt die Pandemie das gesamte Geschäftsmodell „Hotel“ in Frage – dennoch gibt es kreative, agile und zuversichtliche Hoteliers, die sich etwas einfallen lassen. Zum Beispiel Hotelzimmer als Homeoffice anzubieten, denn nicht jeder Mitarbeiter hat Zuhause ein eingerichtetes Büro, in dem er in Ruhe arbeiten kann. Oder ein Konzert im Innenhof eines Hotels. Die Gäste konnten sich die Hofzimmer buchen und wurden dort mit einem Drei-Gänge-Menü verköstigt. Das alles kann verloren gegangenes Geschäft kaum auffangen, bietet aber die Möglichkeit, den Hotelbetrieb zumindest ein klein wenig aufrecht zu erhalten.
Carmen Dücker – seit Juli 2018 Geschäftsführerin im Führungsduo der heutigen BWH Hotel Group Central Europe GmbH – blickt durchaus positiv und optimistisch in die Zukunft. Sie weiß zwar um die extrem angespannte Situation, die für viele Hotels wirklich existenzbedrohend ist, sagt aber:
„Umso mehr gilt es, den Fokus auf Kreativität und Flexibilität zu legen. Es geht um Schnelligkeit, sich zu wandeln, neue Ideen zu entwickeln und Chancen, wo immer es geht, zu ergreifen – Hoteliers, die sich diese Strategie zu eigen gemacht haben und nicht in der Schockstarre verharren, werden mit Sicherheit erfolgreich sein, auch über die Krise hinaus.
Gerade in der wirtschaftlich fatalen Lage für Hotels – keine Gäste, keine Umsätze bei gleichzeitig hohen laufenden Mieten und Kosten – muss sich die BWH Hotel Group als Dienstleister für individuelle Hotels noch mehr darauf konzentrieren, was wir als starke Marke besonders gut können, um aus der Krise vielleicht sogar gestärkt hervorzugehen: Zusammenstehen und gemeinsam notwendige Veränderungen einleiten, dabei den Markt analysieren, passende innovative Produkte entwickeln, alternative Zielgruppen erschließen und damit die Weichen für eine auch in Zukunft erfolgreiche Vermarktung stellen.
Wenn wir es schaffen, das Thema Reisen wieder zu einem besonderen Gut zu machen und die Wertigkeit auch Kunden vermitteln können, wenn die Qualität und Leistung im Vordergrund stehen und nicht mehr der Discount – dann hätten wir alle etwas aus der Krise gelernt.“ (Das ganze Interview mit Carmen Dücker kann man hier anhören.)
Destinationen: Mehr Natur und kleine Städte
Die Länder(werber) sind verhalten optimistisch, denn der Impfstoff ist in Reichweite. Vor allem aber ist spürbar, dass der Reisewunsch der potenziellen Gäste ungebrochen ist.
Einige Trends haben sich 2020 angekündigt und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie sich im kommenden Jahr noch verstärken werden. Vielleicht ändert sich das Reiseverhalten, und zwar bei Journalisten wie bei Endverbrauchern. Denn: Muss es immer der Flieger sein oder kann ich mein Ziel vielleicht auch auf anderen Wegen erreichen? Die Anreise mit dem Zug oder dem eigenen Auto war schon 2020 die bevorzugte Wahl, um autonom zu bleiben. Dazu zeichnet sich ein deutlicher Trend zu aktivem Natururlaub ab – Wandern, Radeln, auch Pilgern. Hausbooturlaub ist ebenfalls eine schöne Möglichkeit, physische Distanz zu wahren, genau wie eine Unterkunft auf dem Campingplatz oder in Ferienwohnungen.
Noch nie war die Nachfrage nach Reisen in dünn besiedelte Naturregionen und Roadtrips durch ländliche Räume so groß. Im Bereich des Städtetourismus geht der Trend weg von großen Städten hin zu unentdeckten Perlen in der Provinz, Bar-le-Duc in Frankreich zum Beispiel. Es gehören auch einige Inseln zu Frankreich – Korsika etwa nah beim Festland, aber auch Martinique und Guadeloupe in der Karibik. Dorthin sind bereits Flugreisen wieder möglich – mit negativem COVID-19-Test im Gepäck.
Daher herrscht Zuversicht, dass das unbeschwerte Reisen vor allem im zweiten Halbjahr 2021 wieder möglich sein wird, genau wie eine Wintersportsaison 2021/2022.
Luftfahrt: Von „Prachtern“ zurück zum Tourismus
Die – bald – verfügbaren Impfstoffe geben der Luftfahrtbranche einen Aufschwung. Zuerst profitieren die Airlines vom Transport der Impfstoffe, teils in leergeräumten Passagier-Maschinen, sogenannten „Prachtern“ (ein Kofferwort aus Passagier und Frachter), später dann auch durch die Impfstoffe selbst.
Denn je mehr Passagiere gegen COVID-19 geimpft sind, desto mehr Destinationen werden Einreisebeschränkungen fallen lassen. Auch die Verfügbarkeit von Corona-Schnelltests wird das Sicherheitsgefühl der Passagiere stärken. Entsprechende Pilot-Versuche verliefen auf jeden Fall vielversprechend. Die Luftfahrt wird durch all diese Maßnahmen wieder an Bedeutung gewinnen. Es ist aber auch nicht ganz auszuschließen, dass eine De-facto-Impfpflicht „durch die Hintertür“ durch Vorgaben von Airlines und Destinationen kommen kann.
Bevor jedoch mit dem Sommerflugplan 2021 die Passagiere ihre Lust am Reisen – auch per Flugzeug – wieder entdecken, gilt es noch eine Durststrecke zu überbrücken. Danach werden möglicherweise die Fluggesellschaften sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen. Und auch die Umwelt wird davon langfristig profitieren, werden doch derzeit viele spritfressende, aber bei Passagieren beliebte Vierstrahler ausgeflottet. Auch auf der Kurz- und Mittelstrecke wird eine Flottenerneuerung hin zu moderneren und spritsparenden Modellen weiter fortschreiten.
Fazit: Zurückhaltend zuversichtlich
Prognosen sind schwierig, wann was wieder wie gehen wird. Das betrifft insbesondere das Reisejahr 2021, das wohl erst im zweiten Halbjahr wieder ein solches genannt werden kann. Es zeigt sich jedoch, dass es sich lohnt vorsichtig optimistisch auf das kommende Jahr zu blicken. Es wird vor allem spannend, ob die neuen Trends anhalten und welche neuen Ideen sich durchsetzen werden.
Die Autoren und das gesamte Columbus-Medien-Team wünschen den Lesern ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue (Reise-)Jahr!
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