Am Thema Pressereisen kommen werden Journalisten noch Agenturen vorbei
Von Lilo Solcher
„Alles wie früher auch“, kommentierte eine Kollegin nach der Diskussion über Pressereisen im Rahmen der Touristischen Runde, die diesmal in den VDRJ RegioTreff Süd integriert war und in den Räumen von Zierer Communications stattfand. Hat sich wirklich nichts geändert?
Gastgeberin Annette Zierer ist da anderer Meinung. Schließlich gab es früher weder Blogger noch Influencer, die ganz andere Programm-Bedürfnisse bei Pressereisen haben als Journalisten und sich deshalb auch nur schwer in traditionelle Gruppenpressereisen integrieren lassen. Und dann gäbe es auch noch das Problem, dass manche Verlage grundsätzlich keine Pressereisen mehr annähmen. Daher reisen dann manchmal Redakteure auf eigene Verantwortung mit ohne zu wissen, wann sie die Geschichte bringen könnten. Oder eben freie Journalisten, die immer mehr Mühe hätten, ihre Texte unterzubringen. Ein paar Kritikpunkte hat die PR-Frau, die vor allem Luxushotels im Portfolio hat, auch: Absagen oder Wünsche nach Programmänderungen kämen immer kurzfristiger.
Manche Journalisten würden es mit den Ansprüchen übertreiben, wenn sie etwa nur First Class fliegen, nur den teuersten Wein trinken und gleich mit der ganzen Familien anreisen wollten. „Wir tun unser Möglichstes, um berechtigte Wünsche zu erfüllen,“ sagt Annette Zierer. „Aber zaubern können wir auch nicht.“ Vor allem mit dem Airlines, die sich bei der Berichterstattung oft sträflich vernachlässigt fühlten, gäbe es immer mehr Probleme bei der Unterstützung von Pressereisen mit Freiflügen. Das kann Dorothea Hohn von global communication experts (gce) nur bestätigen. Die Frankfurter Agentur betreut neben Fernreisezielen auch Airlines. Cathay Pacific, berichtet Hohn, gäbe fast keine Journalistentickets mehr aus. Und vor allem die – teuren – Ferndestinationen wollten am liebsten vor der Reise genau wissen, wer eingeladen und was zu erwarten ist. Deshalb würden viele Daten schon vor Reiseantritt abgefragt und die Fragebögen immer länger.
„Kunden haben manchmal sehr ungewöhnliche Vorstellungen,“ räumt die GCE-Chefin ein. Da sehe sie sich als eine Art Dolmetscher für die Journalisten-Wünsche, die dem Kunden oft unverständlich sind. Probleme mache den Agenturen zusätzlich, dass die Programme aus fernen Ländern immer wieder zu spät kämen. So könne es passieren, dass man bei Abflug nicht das Hotel der ersten Nacht kenne. „Es läuft halt nicht immer alles perfekt,“ appelliert Hohn an das Verständnis der Journalisten. Allerdings gelte das auch für die Teilnehmer an Pressereisen. Immer kurzfristigere Absagen, „bei kleinen Gruppen und teuren Fernreisen besonders schmerzhaft“, machten den Agenturen zu schaffen.
Immer öfter könne man auch feststellen, dass Journalisten mit fadenscheinigen Entschuldigen von einer Reise in die Nähe zurückträten, um zur gleichen Zeit eine Fernreise anzutreten. Da wünschten sich die Agenturen mehr Rücksicht. „Man glaubt gar nicht, wie oft die Oma oder die Schwiegermutter stirbt oder ein Beinbruch einer Reise entgegensteht,“ berichtet die Agenturchefin. Wenig Verständnis habe sie auch, wenn erfahrene Reisejournalisten mangels gültigem Pass kurzfristig eine Reisezusage stornieren und die Suche nach einem Ersatz unmöglich bzw. peinlich ist. Da zahle dann ein Kunde wie Costa Rica umsonst tausende von Euros. „Es bleibt viel zu tun,“ resümiert Hohn. Auf Pressereisen ganz verzichten möchte sie allerdings trotz mancher schlechter Erfahrung keinesfalls, da „Reisen immer noch der einzig wahre Weg sind, ein Land kennenzulernen“.
Auch Tobias Büttner, Geschäftsführer von Geoplan Privatreisen, hält viel von Pressereisen. Eine Gruppenpressereise veranstalte er pro Jahr, zusätzlich unterstütze Geoplan ausgewählte Journalisten bei individuellen Recherchereisen. Bei besonderen Zielen sei es leicht, gute Journalisten zu gewinnen, hat Büttner erfahren. Für ihn sei es jedoch wichtig, dass solche – aufwändigen und teuren – Reisen am Ende auch Kunden bringen. Und dafür sieht er die beste Plattform in den Tageszeitungen. Für sein finanzielles Engagement – 30.000 bis 50.000 Euro pro Jahr – erwarte er zumindest einen deutlichen Hinweis im Infokasten, betont der Geoplan-Geschäftsführer, „sonst geht das am Ende für mich nicht auf“.
„Reisen sind immer noch der einzig wahre Weg, ein Land kennenzulernen“.
Dorothea Hohn
Eva-Maria Mayring, die als freie Journalistin ihre eigenen Wünsche und Erfahrungen einbringt, kann diesen Wunsch verstehen. Da müsse mehr Abstimmung zwischen Einladendem, Journalisten und Medium her, fordert sie. Mayring unternimmt sowohl Gruppen- als auch Individuelle Pressereisen. Beides habe Vorteile, meint sie. Bei Gruppenpressereisen freue sie sich über den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, ärgere sich aber oft über die Überfrachtung der Programme, denn die verursache Zeitdruck, und wichtige Programmpunkte fielen weg. Sportliche Aktivitäten seien grundsätzlich zu begrüßen, „aber nicht im Schnelldurchgang und ohne adäquate Ausrüstung“. Bei individuellen Recherchen könne sie auf den Ablauf Einfluss nehmen, eigene Themen und Schwerpunkte setzen. Von den Agenturen und Veranstaltern wünscht sie sich gut ausgebildete Guides, nicht alltägliche Reiseziele und Gesprächspartner, die etwas zu sagen haben.
Hans Werner Rodrian, Mitbegründer der Journalisten-Partnerschaft srt, weist zum wiederholten Mal darauf hin, dass es seiner Meinung nach weder ein Recht auf Pressereisen noch ein Recht auf Veröffentlichung gebe. Den Verlagen, so seine Überzeugung, „ist es nicht wert, für Reisen Geld auszugeben“. Die Manager an der Spitze hätten lieber Anzeigen statt Reiseberichte. Aber gut recherchierte, originelle oder Service orientierte Geschichten fänden ihren Platz in den Print- und Online-Medien.
Dass das nicht immer der Reiseteil sein müsse, darauf weist Marina Noble von noble kommunikation hin. Und Annette Zierer bietet an, Journalisten die entsprechenden Ansprechpartner in den Redaktionen zu vermitteln. Fazit einer anregenden und angeregten, oft auch lautstarken Diskussion: Pressereisen sind ein Geben und Nehmen und sie setzen gegenseitiges Verständnis und Vertrauen voraus.
Dies ist ein Artikel aus der aktuellen Ausgabe des Columbus-Magazins.
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