Georg Cadeggianini: Macht doch, was ihr wollt!
Erschienen in Die ZEIT
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Textauszug
Alles perfekt. Erstaunlich perfekt. Dann, zwei Tage bevor es losgeht, schreckt mich eine von Lorenzo weitergeleitete E-Mail hoch. »Your flight is now ready for check in.« Zwei Tage vor Abflug? Sind das normalerweise nicht immer nur 24 Stunden? Egal, ist halt ein Extra-Service der Fluggesellschaft – die sind wohl früher dran als andere.
Sind sie nicht. Die Kinder haben den falschen Flug gebucht. Einen Tag zu früh. Einen Tag, an dem ich eigentlich noch ins Büro muss. Einen Tag, für den wir keine Unterkunft haben. Ich sehe uns schon irgendwo in den norwegischen Wäldern schlafen, oder gar nicht. Was habe ich mir nur gedacht? Warum sollten diese Kinder, die es nicht mal hinkriegen, nach der Schule ihre leeren Brotzeitboxen bei mir abzuliefern, sie gern auch tagelang im Ranzen lassen, ja, auch die gesamten Sommerferien über – warum bitte sollten ausgerechnet diese Kinder einen Urlaub organisieren können? Was, wenn auf dem Flugticket mein Name falsch geschrieben ist, der Bus Fahrräder nur an Wochenenden mitnimmt, das gebuchte Häuschen gar nicht in Trysil liegt, sondern in Trysull, irgendwo im englischen Hinterland?
Gleichzeitig bin ich genervt von mir selbst. Von meiner Alarmstimmung, meiner Bedenkenträgerei. Fehlt bloß, dass ich ihnen später noch komme mit »Ich hab’s euch doch gesagt«. Dieser Satz ist wie Quengeln, nur von Eltern.
Begründung der Jury:
Georg Cadeggianini ist der Sieger der Kategorie Beste Reportage. Der Vater wagt für Die Zeit ein außergewöhnliches Experiment: Mit seinen zwei Kindern verbringt er einen Urlaub in Norwegen – die Organisation, von der Buchung bis zum Einkauf vor Ort, überlässt er ganz den Teenagern. Das ist nicht nur „sehr mutig“, wie Jurorin Antje Blinda findet, sondern auch höchst amüsant. Denn der Münchener erlebt eine wahre Gefühlsachterbahn: Die Vorschläge der Kinder reichen von Berlin-Döner bis Malediven, der falsche Flug wird gebucht und nach dem „Hirn-Magen-Pogo auf der Downhill-Radpiste“ kann der Papa nicht mehr. Mal scheint alles „erstaunlich perfekt“, dann wieder spürt der 40-Jährige „das nörgelnde Kind“ in sich. „Er reflektiert auf eine schöne Weise, was das mit ihm als Vater macht“, stellt Juror Wolfgang Stelljes fest. Die Reportage greift damit einen Trend auf – dass Kinder immer mehr Einfluss auf die Urlaubsentscheidung nehmen – und kann gleichzeitig „für Leser inspirierend sein“ (Johannes Klaus). Cadeggianinis Fazit jedenfalls ist ermutigend: „Die Kinder haben nicht gemotzt.“