Columbus-Autorenpreis 2024 „Beste Reportage“: Strand der guten Hoffnung

Kalia Beach liegt am Toten Meer, im Westjordanland. Besucht wird der Strand sowohl von Israelis als auch Palästinensern. Kann das gut gehen?

Von Agnes Fazekas

Wenn Mohammad Haddad sich in seiner Hängematte zurücklehnt, hat er nur die jordanische Seite im Blick: die zinnoberrote Bergkette und darunter den reglosen Salzsee. In diesen Tagen lehnt sich der Bademeister oft in seinem Ausguck zurück, raucht eine Zigarette und trinkt Kaffee, in dem der Satz so schwarz steht wie der Schlamm am Ufer. Kalia Beach gehört jetzt den Einheimischen: den Israelis und den Palästinensern – und die, sagt er, wissen um die Tücken des Toten Meers.

Agnes Fazekas (Foto: Jonas Opperskalski)

Vor der Pandemie brachten die Reisebusse an manchen Tagen bis zu 4000 Pilger und Touristen aus dem nahen Jerusalem. Seine Ansagen hat er deswegen sogar auf Koreanisch oder Ungarisch drauf: „Auf dem Rücken bleiben!“ „Nicht spritzen!“ „Da hinten sind Löcher!“

Und im Notfall rückt er mit seinem Paddelbrett aus. Im Toten Meer geht man nicht unter, kann jedoch im kniehohen Wasser ertrinken. Manche geraten in Panik, wenn sie der Auftrieb in Bauchlage dreht und plötzlich die Füße aus dem Wasser ragen. Sie suchen mit den Händen Halt im Schlick und schlucken eine Lake, die zehnmal so salzig ist wie das Mittelmeer. Sechs Todesfälle gab es in den 13 Jahren, in denen Haddad hier arbeitet, 428 Meter unter dem Meeresspiegel, der tiefste Ort der Welt an Land, in einem von Bojen begrenzten Tümpel.

Im Sommer hat das Wasser 40 Grad. Der Sand ist zu heiß, um Burgen zu bauen. Die Salzkruste lässt sich gerade bis zu den Duschen ertragen. Eben erst wurden diese wieder weiter hinunter zum Ufer verlegt. „Den Strand jagen“ nennen sie das. Bis zu sieben Meter ist das Wasser in den vergangenen Jahren gewichen.

Ans Tote Meer fährt man nicht zum Schwimmen. Die einen kommen, um Hautkrankheiten zu kurieren oder schwerelos für einen Moment die Welt zu vergessen. Die anderen, weil sie von der Welt vergessen wurden. Das Meer mag ein See sein, ohne Wellen und Horizont. Aber für die Palästinenser ist der Strand das nächste, was an ihre verlorene Heimat herankommt. Die Mittelmeerküste liegt unerreichbar für sie hinter dem Sperrwall.

Kalia liegt am Nordufer des Toten Meers und somit im Westjordanland. Nach internationalem Recht gehört der Strand den Palästinensern. Allerdings liegt er in der sogenannten Zone C, die seit dem gescheiterten Frieden von Oslo unter israelischer Militärverwaltung steht. Palästinenser dürfen hier nicht einmal auf Privatland bauen. Der Strand wird vom Kibbuz Kalia betrieben, einer illegalen jüdischen Siedlung.

Surfshorts, Ray-Ban im Haar, konzentrierter Blick – Haddad sieht aus wie die Lifeguards am Strand von Tel Aviv. Doch er ist Palästinenser aus Jericho. Viele Einwohner dort arbeiten in jüdischen Siedlungen auf den Baustellen oder in den Dattelplantagen. Ein Job hier in Kalia aber, zwischen Hängematte und Paddelbrett, ist ein Glücksgriff. Morgens um acht bringt sie ein Bus aus Jericho, die Barmänner, Köche, Putzleute und den Bademeister.

Am Vormittag sind nur Israelis am Strand. Haddad beugt sich über die Balustrade und winkt einem Stammgast im Rollstuhl zu. Dessen Frau spritzt ihn am Ufer mit Wasser und Schlamm ab. Der Bademeister ruft ihr ein paar nette Worte zu. Hebräisch hat er hier am Strand gelernt. Israelis kannte er zuvor nur in Uniform, als Soldaten an den Checkpoints.

„Du musst hier wie ein Babysitter denken“, sagt Haddad. Kinder, die sich im Sand die Füße verbrennen; alte Leute, die im Schlamm stecken bleiben; Paare, die auf die Idee kommen, im beißenden Wasser Liebe zu machen. Da passe es irgend- wie, dass er eigentlich einen Abschluss in Sozialarbeit habe.

Von seinem Ausguck erspäht er nicht nur die Gebrechlichen und die Übermütigen. An der Körperhaltung liest er auch die politische Gesinnung ab. Am liebsten sind Haddad die Israelis aus dem Norden und aus Tel Aviv. „Die sind liberaler und nicht so angespannt.“ Die Juden aus der nahen Gegend, aus Jerusalem und den Siedlungen, die erkenne er oft schon von Weitem. „Die Situation macht sie aggressiv. Man spürt ihre Wut.“ Manchmal entlade sie sich beim Anblick palästinensischer Gäste oder wenn Haddad eine Ansage auf Arabisch mache.

Und dann sind da noch die jungen ultraorthodoxen Männer, die im August Ferien von der Thora haben. Donnerstagabends wird das Bad für sie gesperrt. Frauen sind dann verboten.

„Sonst gehen wir Männer doch an den Strand, um Frauen zu sehen“, sagt Haddad und grinst vorsichtig. Es ist ein heikles Thema in Kalia. Junge Palästinenser, die ohne Familie kommen, werden am Eintritt abgewiesen. „Manche haben eben noch nie einen Strand gesehen. Oder einen Bikini“, sagt Haddad. Dann gucke man natürlich. Er sei früher selbst vom Nebenufer nach Kalia geschwommen. Zu den Touristinnen aus dem Ausland.

Früher wurde Kalia auch „Die Vereinten Nationen“ genannt, dann kamen nur noch einheimische Besucher

Vor der Pandemie nannten sie Kalia „Die Vereinten Nationen“. Weil die Menschen hier aus allen Ländern kommen. Für das Personal aus Jericho ist der Strand mehr als ein Fenster in die Welt. Ibrahim von der Bar hat jetzt eine deutsche Freundin, die er bald besuchen will. Murad, der zweite Bademeister, ist nun mit einer Jüdin verheiratet. Als sie ihn das erste Mal zu sich einlud, musste er ihr erst erklären, dass er eine Sondergenehmigung brauche, um nach Jerusalem zu fahren. „Viele Israelis haben keine Ahnung, wie wir hier leben“, sagt Haddad. Er beschränkt sich darauf, Nummern mit den Touristen auszutauschen und surreale Fotos vom Salzsee nach Italien oder Australien zu verschicken, in die er Haie und Surfer montiert. Zu Hause wartet seine Frau auf ihn, eine gläubige Muslimin, die 14 Katzen und sein Adler. Seine zwei Welten vermischen sich selten. „Meiner Frau ist es zu heiß am Strand“, sagt Haddad. Manchmal bitte er den jüdischen Manager nach Betriebsschluss um den Schlüssel. „Für ein bisschen Romantik.“

Itai Maor heißt der Strandmanager. Er ist im Kibbutz Kalia geboren und ärgert sich, wenn man ihn einen Siedler nennt, also einen, der den Palästinensern das Land wegnimmt. „Meine Eltern haben das Land erst bewohnbar gemacht.“ Überhaupt setze er sich hier mehr für die Verständigung ein als alle Politiker. Als Teenager hat er in der Bar hier gejobbt, jetzt sitzt er dort am Tresen und empfiehlt die Falafel, die er jeden Tag aus Jericho anliefern lässt. „Besser als das Zeug, was man in Tel Aviv bekommt.“ Auch seine Mitarbeiter aus Jericho seien handverlesen. Der Service, das sei der Charme von Kalia. Sein neuester Coup ist der Shuttlebus, den an den Umkleiden per Knopfdruck anfordern kann, wem der Weg zum Strand zu beschwerlich ist.

Vor 50 Jahren reichte der Wasserpegel noch bis zu den alten Baracken oben an der Straße, die dem iraelischen Militär damals als Basis dienten. Wenn Linda Stein dort Wache schob, starrte sie stundenlang auf diesen reglosen Salzsee. Es gab nicht viel zu sehen. Nur das große Riesenrad drüben am jordanischen Ufer. „Wenn Frieden ist, möchte ich gern dorthin einmal einen Ausflug machen“, sagte Stein zu ihren Kameraden und träumte vom Vergnügungspark.

Heute betrachtet sie den Sonnenuntergang über den jordanischen Bergen lieber aus dem Jacuzzi in ihrem Garten im Kibbuz Kalia, fünf Kilometer die Straße hinauf. Das Salzwasser mochte die 66-Jährige nie besonders. Zart und rotlockig, wirkt sie im Blümchenkleid in der Wüste so exotisch wie das saftig grüne Gras vor ihrer Haustür.

Der Krieg überraschte Stein wie alle Israelis. Gerade erst war sie mit den Eltern aus den USA, aus Philadelphia eingewandert. Zum Wehrdienst meldete sie sich heimlich, weil sie Anschluss suchte. „Da kriege ich dich nicht rausgeboxt“, schimpfte der Vater. Einen Monat später, an Jom Kippur 1973 – dem Versöhnungstag, an dem die Radios und Fernseher stumm bleiben –, schrillten die Sirenen. „Mein erster Gedanke war, ob man im Krieg die Ausgehuniform trägt. Mit dem Minirock?“ Statt an die Front schickte die Armee sie ans Tote Meer. Um mit einer Pioniereinheit die Wüste – mit viel Wasser – zum Blühen zu bringen.

Schon vor Staatsgründung gab es dort am Strand eine hebräische Siedlung, benannt nach dem Element Kalium. Hier wohnten die Arbeiter der Pottaschefabrik, die 1929 unter den Briten gebaut wurde. Dass die Juden Seite an Seite mit Arabern arbeiteten, war ungewöhnlich. Und noch mehr, dass 1932 ein Kurbad in Kalia eröffnet wurde: als britisch-jüdisch-arabische Kooperation. Im Hotel nächtigte nicht nur David Ben-Gurion, sondern auch der König von Jordanien.

Das alte Kalia wurde 1948 von den Jordaniern zerstört. Zwei Kriege später bastelten die Pioniere aus Steins Einheit ein Akronym aus dem Namen der Arbeitersiedlung: Kam Litchia Iam HaMavet, „Das Tote Meer ist zum Leben erwacht“.

Das war 1974. Mit Stein blieben 50 Soldaten, um den Militärposten in einen Kibbuz zu verwandeln. Sie versetzten die Siedlung in den Schatten der Qumranberge, in dessen Höhlen man die ältesten Bibelhandschriften fand, verfasst von den alten Hebräern. Stein erinnert sich, wie sie auf Knien die Grashalme einzeln in den Salzboden pflanzten. „Wir glaubten nicht, dass hier etwas wächst.“

Sie erzählt, wie die Pioniere lernten, den Boden urbar zu machen. Was sie nicht erzählt: Bis heute beruht die intensive Landwirtschaft der Siedler im Jordantal auf dem Grundwasser, das sie aus dem Boden pumpen – während palästinensische Bauern ihre Felder aufgeben, weil ihre Quellen versiegen.

20 Jahre später standen die Häuschen im Schatten von Feigen und Palmen und Akazien – der Speisesaal, die Wäscherei und der Kindergarten. Die Frauen arbeiteten wie die Männer und hatten am Feierabend frei wie die Männer. Linda Stein versorgte die Kibbuzkälbchen und wunderte sich nicht mehr, dass sie in der Wüste von Vogelgezwitscher geweckt wurde. Und: Es war Frieden. Zumindest mit Jordanien. Der ganze Kibbuz machte einen Ausflug ans andere Ufer. „Das Riesenrad war ziemlich rostig“, sagt Stein. Ihr Mann baute damals den Tourismus aus: Die Qumranhöhlen bekamen einen Besucherpark, und neben den alten Armeebaracken eröffnete der Kibbuz ein Erlebnisbad mit Zugang zum Strand.

Wie ein postapokalyptisches Gerippe ragt der alte Wasserpark weit über den Spiegel des Toten Meers

Die Beziehung zu Jericho sei immer gut gewesen, sagt Stein. Die Siedler wurden zu Hochzeiten eingeladen und aßen in arabischen Restaurants. „Die Palästinenser dort sind einfach entspannter. Vielleicht, weil es immer eine Touristenstadt war.“

Jericho war auch die erste Stadt, die Israel 1994 im Friedensprozess von Oslo an die Palästinensische Autonomiebehörde übergab. „Wir waren uns einig in Kalia“, sagt Stein. „Hätten wir den Kibbuz für den Frieden aufgeben müssen, wir hätten am nächsten Tag unsere Sachen gepackt.“

Der Kibbuz habe damals sogar die Clanältesten aus Jericho zum jüdischen Sukkothfest eingeladen. Und alle saßen einträchtig unter einer großen Laubhütte auf dem Rasen. So erinnert sich Linda Stein an die Zeit der großen Hoffnung. Als Jitzchak Rabin zu einem Besuch hereinschneite, war sie fassungslos, dass er keine Bodyguards bei sich hatte. „Ich habe ihn gewarnt: ‚Der Frieden liegt auf deinen Schultern. Pass auf dich auf.‘“ Im darauffolgenden Jahr wurde Rabin von einem jüdischen Extremisten ermordet.

Im Wasserpark kondensierte der Konflikt, bevor sich die Palästinenser zur Zweiten Intifada erhoben. „Es ist schwierig, darüber zu reden“, sagt Stein zögerlich. „Die Araber haben eben eine andere Kultur.“ Während sich die Israelis über die muslimischen Frauen mokierten, die in vollem Gewand im Pool saßen, fühlten sich israelische Frauen im Bikini von deren Männern belästigt. Schließlich ging der Park bankrott.

Der alte Wasserpark von Kalia steht immer noch eingezäunt neben den Armeebaracken. Bestäubt mit Wüstensand, ragen die Rutschen über leere Becken und weit über den Spiegel des Toten Meers, wie ein postapokalyptisches Gerippe. Der Nahostkonflikt ist auch ein Konflikt um Wasser. Und nirgendwo zeigt sich der Kampf um Süßwasser so eindrücklich wie am Salzsee, dem am Jordan von allen Seiten der Zufluss abgepumpt wird.

Ein Symbol der Koexistenz sollte es sein, als Linda Stein vor vier Jahren mit dem Strandmanager Künstler aus der Region einlud, um den Armeebaracken Farbe zu verpassen. Nur Palästinenser konnten sie nicht gewinnen. Stattdessen sprühte ein mexikanischer Street-Art-Künstler zwei Porträts auf eine Barackenfront: die Tochter des jüdischen Strandmanagers neben einen seiner palästinensischen Arbeiter.

Am Nachmittag trudeln die Palästinenser am Parkplatz ein. Die Männer in langen Hosen, die Frauen in Sommermänteln und Hidschab. Die Feiertagsgarderobe ist verknautscht. Gerade noch kurvten sie über Umgehungsstraßen um stacheldrahtbewehrte jüdische Siedlungen, ließen sich an Checkpoints von Soldaten mit Maschinengewehren durchsuchen – jetzt reihen sie sich zwischen Juden mit Badeschlappen und Strandtaschen in die Schlange am Eintritt.

Kalia liegt im Westjordanland – allerdings in der Zone C, die unter israelischer Militärverwaltung steht

Für einen Moment vermischen sich arabische und hebräische Wortfetzen. 60 Schekel, etwa 16 Euro, kostet der Eintritt. Auch für israelische Verhältnisse happig, aber eine palästinensische Großfamilie lässt insgesamt knapp einen Wochenlohn an der Kasse. Dann eilen die Juden hinunter zum Strand und zu den Liegen in die Sonne. Die Palästinenser dagegen schleppen Kühlboxen und Wasserpfeifen unter das Dach auf der Terrasse über dem Strand. Picknicktische auf Kunstrasen – gemütlich ist es nicht, aber schattig.

Die Familie Abd al Raman ist aus dem Dorf Hablah im Nordosten angereist. Es liegt nur zwölf Kilometer vom Mittelmeer entfernt. „Man spürt die Brise“, sagt der Großvater. Sehen kann man es nicht mehr. Das Dorf ist auf drei Seiten vom israelischen Sperrwall ummauert.

Das Meer sehen, und wenn es nur das Tote Meer ist. Den meisten scheint das erst einmal zu reichen. Von der Terrasse aus machen die Palästinenser Fotos. Mit ein paar Palmwedeln im Bild und ohne die schlammbepackten Israelis sieht es fast nach Karibik aus, auf jeden Fall weit weg. Aus der Bar quietscht ein Popsong, „Oh, I’m just a girl“.

Niemand blickt auf, als fünf junge Soldatinnen vorbeimarschieren. Mit langen Pferdeschwänzen, die über geschulterten Gewehrläufen baumeln. Einmal hinunter zum Wasser und schnell wieder hinauf. „Präsenz zeigen“, seufzt eine der Frauen. Ein lästiger Pflichttermin bei dieser großen Hitze.

Die Sonne steht jetzt über dem Bergrücken, der Badebereich füllt sich. Eine Palästinenserin hat sich in vollständiger Bekleidung direkt in den Ufermatsch gesetzt und schaufelt den Heilschlamm in Wasserflaschen für zu Hause. Hanan ist mit der Familie aus Bethlehem gekommen. Eigentlich, sagt sie, möge sie das Tote Meer nicht besonders. „Es ist zu heiß, und die Kinder können nicht planschen.“ Eigentlich hatten sie nach Tel Aviv gewollt. An den echten Strand. Am vergangenen Wochenende hatte Israel die Grenzen geöffnet. Ein seltenes Ereignis. Die Zeitung „Ha’aretz“ schrieb: „Das Militär drückt ein Auge zu, und Palästinenser schwelgen am Strand von Jaffa.“ Da hatte Hanan gehofft, es werde noch einmal ein Auge zugedrückt, zumal ihr Mann in Israel auf dem Bau arbeitet. Doch am Checkpoint wies man sie ab.

Hanans 16-jährige Nichte trieb bisher mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, jetzt öffnet sie sie. „Ich habe geweint vor Wut.“ Während ihre Tante weiter durch die Schlammmaske lächelt, sagt sie leise: „Sie nehmen uns wirklich alles.“

Nur einen Beinschlag entfernt steht ein Israeli, er reibt sich genüsslich mit Matsch ein und merkt nicht, dass er im Bild steht. Hinter ihm waten fünf Palästinenserinnen aneinandergeklammert durch den Schlick, um für ein Foto zu posieren. Während sie ihre Kopftücher richten, gerät eine aus der Balance, und die ganze Riege droht zu kippen.

Vielleicht liegt es an den Matschsprenkeln auf der Brille. Vielleicht sind es Scheuklappen, die der Israeli Itai für diesen Ausflug auf die andere Seite angelegt hat. Es sei ihm gar nicht aufgefallen, dass er sich das Wasser mit Palästinensern teile. „Je mehr, desto besser“, fügt er schnell hinzu. Itai freut sich immer noch über den spontanen Einfall. Nur eine Stunde mit dem Auto aus Tel Aviv, wo ihm die Strände am Schabbat zu voll sind. Auch er wollte den Kindern heute etwas Besonderes bieten. „Nun ja“, sagt sein Sohn Gadi, „das Tote Meer ist nur was für Leute, die gern brennende Augen haben.“

Beduselt wirken die Badenden, als sie die Treppen hinaufsteigen. Und das sei nicht nur die Hitze, sagen die Einheimischen. Die Mineralien aus dem Toten Meer helfen nicht nur gegen Psoriasis. Wenn sich das Bromid aus dem Wasser mit dem Sauerstoff an der Oberfläche verbinde, steige es ins Gemüt wie ein Beruhigungsmittel. „Es macht uns friedlich“, glaubt Linda Stein.

„Es macht süchtig“, sagt Mohammad Haddad. Bei Vollmond paddelt der Bademeister mit seinem Brett hinaus auf den See, klemmt sich ein aufblasbares Kopfkissen in den Nacken, und schwebt körperlos vor der israelischen Radarstation. Manchmal nickt er dabei ein.

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