Gedanken der Jury zum Jahrgang 2015

Radiopreis

Gedanken der Jury zum Jahrgang 2015

Das Ende der Reise im Radio? Keineswegs! Das zeigen einmal mehr die 36 eingereichten Beiträge des Jahrgangs 2015, die zum ersten Mal in der mittlerweile zehnjährigen Geschichte des Columbus-Radiopreises nicht mehr in die gelernten Kategorien „kurz“ und „lang“ eingeteilt wurden. Radio lebt, Radio verändert sich und Hörgewohnheiten werden hinterfragt. Mittlerweile sind auch die neuen Medien nicht mehr so neu. Die VDRJ hat sich also gefragt, wie diesen unaufhörlichen Veränderungen Tribut gezollt werden kann, ohne einen hoch angesehenen, von Journalisten nach strikt journalistischen Kriterien an Journalisten verliehenen Preis qualitativ in die allzu seichten Niederungen allgemeinen Mainstreams absinken zu lassen. Immer mehr freie Reporter bloggen, veröffentlichen Audiopodcasts, sind im Rahmen ihrer Recherchereisen multimedial unterwegs. Dieser Entwicklung möchten wir als VDRJ mit der schrittweisen Neuausrichtung des Columbus Radiopreises Rechnung tragen.

Zeitgemäßer Wettbewerb

Nur noch ein goldener Columbus für den besten Hörfunkbeitrag des Wettbewerbsjahrgangs wird zukünftig verliehen. Und dabei spielt es keine Rolle mehr, wie lang dieser Beitrag ist, ob er im klassischen Radio, einem Blog oder in einem Audiopodcast veröffentlicht wurde. Einzig die Qualität steht im Mittelpunkt. Damit einhergehend wird es zukünftig bei den Columbus Radiopreisen auch keine klassischen zweiten Plätze mehr geben. Die silbernen Auszeichnungen werden für die unterschiedlichsten Kategorien vergeben, da natürlich nicht jeder Beitrag immer und durchgängig allen an ihn gestellten Qualitätsansprüchen der Jury (und vieler Redaktionen) gerecht wird.

Die Radiopreisjury hatte also in diesem Januar die Aufgabe den eingereichten 36 Beiträgen ein „neues Ohr“ zu leihen. Welche Reporterin hat die stimmigste Atmo eingefangen, welcher Kollege schafft es, ein Thema besonders sensibel oder informativ aufzubereiten? In welchen Redaktionen sind die Verantwortlichen mutig genug, neue Wege der Produktion zu gehen? Wer schafft es, den Hörer als Gegenüber auf Ohrenhöhe anzusprechen, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger in Schulfunkmanier alles besser wissen zu wollen? Kurzum: Wer schafft es, Radio innovativ und qualitativ hochwertig zu produzieren, dass es eine Freude ist und Spaß macht, gut 18 Stunden Wettbewerbsmaterial im Rahmen der Vorjury durchzuhören und am Sitzungstag gemeinsam zu begutachten, zu besprechen und mit dem goldenen oder einem silbernen Columbus auszuzeichnen?

Mehr Beiträge von Jahr zu Jahr

Die Vorauswahl der Jury wurde in den vergangenen Jahren notwendig, weil die Zahl der eingereichten Beiträge von Jahr zu Jahr steigt. Das liegt auch daran, dass nicht mehr nur die klassischen Reiseredaktionen, sondern auch Wirtschafts-, Wissenschafts- und Politikredaktionen ihre Stücke in den Wettbewerb schicken und auch die Korrespondenten der Öffentlich-Rechtlichen immer öfter Lust entwickeln, ein (meistens) gut gemachtes Hörstück zum Wettbewerb beizusteuern.

Viele der eingereichten Beiträge haben die strengen Erwartungen der Jury erfüllt. Auch in diesem Jahr lag das starke Spitzenfeld eng zusammen. Die 15 besten Beiträge haben es in die Endauswahl geschafft. Schlickschlitten-WM in Greetsiel, auf den Spuren von Jean Sibelius, in 24 Stunden durch Seoul, mit Goethe durch Indien oder zum Jodelkurs in die Alpen: Wenn es allein um die Originalität und die bloße Herangehensweise gegangen wäre, hätte die Jury sicherlich noch viel mehr als letzten Endes vier prämierten Beiträge auszeichnen müssen. Freuen würden wir uns, wenn auch Privatfunker und Bürgerradios nicht glauben, erlaubt sei, was ihnen gefällt. Sie dürfen neben all dem Mut und Innovationsgeist die Qualität ihrer Machwerke nicht aus den Ohren verlieren. Vorgelesene Reiseführer, aus der letzten Reihe einer Butterfahrt aufgenommene O-Töne und Schnitte und Blenden, für die jeder Praktikant aus dem Studio gescheucht würde, sind nicht akzeptabel. Das von Redaktionen vorgetragene Argument, der Hörer merke das nicht, oder wolle das gar nicht so hochwertig und anspruchsvoll hören, weil er dann abschalten würde, ist hanebüchen!

Gesichtslose Hochglanz-Sprecher? Authentische Reporter?

Eine jährlich größer werdende Diskussion entspinnt sich in der Jury darüber, ob Produktionen authentisch von den Reportern und Redakteuren eingesprochen werden sollten, oder von professionellen, aber „gesichtslosen“ Hochglanz-Sprechern. Hier gehen die Meinungen je nach Dienstalter und Rundfunkanstalt massiv auseinander.

Wenn aber der Ansatz fesselt, die Sprache bezaubert, radiophon gespielt wird und der rote Faden einen bis zum Schluss nicht aus der Geschichte „rauslässt“, dann hat die Jury in diesem Jahr Dank der neuen Wertungskategorien über minimale Widrigkeiten hinweggehört und Schwerpunkte hervorgehoben, die besonders gut gelungen sind. Für 2016 ist sich die Jury einig darüber, dass es Zeit ist für Blogger, Podcaster und Webradios, sich noch stärker am Columbus-Wettbewerb zu beteiligen. Die abschließende und (leider) auch in diesem Jahr wiederkehrende Frage, warum es (nicht nur Privat-) Sender nicht schaffen, gute Inhalte professionell aufzuarbeiten, konnte einmal mehr nicht abschließend beantwortet werden. Wie gesagt: Einfach nur mutige Ansätze zu verfolgen, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Zu diesem Ergebnis kommt die diesjährige VDRJ Columbus-Radiopreis Jury: Die VDRJ-Mitglieder Rüdiger Edelmann, Wolfgang Stelljes, Michael Markek, Moritz Metz und Holger Wetzel sowie die langjährige Redaktionsleiterin der Sendung „radioReisen“ auf Bayern 2, Margot Litten.

Die ausführlichen Jurybewertungen aller vier Preisträger samt Hörbeispielen finden Sie auf www.vdrj.de.

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