Gedanken der Jury
zum Jahrgang 2011
Der Radio Columbus Preis gehört inzwischen zu den etablierten Wettbewerben zum Thema Reisejournalismus im Hörfunk. Zwanzig Beiträge in der Kategorie Langversion ab zehn Minuten Länge und vierzehn Kurzproduktionen waren eingereicht worden. Eine Menge, die eine Vorauswahl erforderlich machte, um für die entscheidende eintägige Sitzung in Berlin Zeit zu haben, intensiv über preiswürdige Stücke diskutieren zu können. Also mussten sich die sieben Juroren im Vorfeld durch fast acht Stunden Programm arbeiten, was nicht immer reines Hörvergnügen bedeutete. Manchmal war es auch Quälerei.
Außerordentliche Leistung im Reise-Radiojournalismus
Hier stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die eine oder andere Redaktion die Beiträge auswählt. Es geht schließlich um außerordentliche Leistungen im Radiojournalismus zum Thema Reise. Wobei die Betonung in Zukunft doch mehr auf „Reise“ liegen sollte. Der Begriff ist ursprünglich einmal weit gefasst worden, denn auch Reportagen über Kulturen anderer Länder oder politische und soziale Entwicklungen können etwas mit Reisen zu tun haben. Inzwischen werden aber mehr und mehr Beiträge eingereicht, die selbst bei wohlwollender Auslegung nur noch am Rande etwas mit dem Thema Reise zu tun haben. Eine reine Wirtschaftsreportage oder ein Bericht über sportliche Höchstleistungen in einer bestimmten Region sind dann doch zu weit interpretiert.
Damit ist nicht gemeint, dass der sogenannte Mehrwehrt, also konkrete Informationen über ein Gebiet oder auch blumige Beschreibungen wieder stärker in den Vordergrund rücken sollten. Die harten Informationen holt sich der Reisende heute sowieso fast nur noch aus dem Internet. Da kann vom Umfang aber auch von der Qualität her kein Radio Beitrag mehr mithalten. Bildhafte Beschreibungen dagegen ohne kitschige Formulierungen sind eine hohe Kunst, über die sich Autoren immer wieder einmal Gedanken machen sollten. Der Columbus Wettbewerb soll aber auch Mut machen, neue Wege zu gehen, ohne dabei auf Qualität zu verzichten. Das gibt es zwar auch beim Jahrgang 2011, aber leider viel zu selten.
Kino im Kopf ist wichtig
Gerade Reisebeiträge im Radio sollen die immer wieder beschworenen Bilder im Kopf erzeugen, und das ist eben nicht möglich, wenn in schlichter Machart Text und oft belanglose O-Töne aneinander gereiht werden. Natürlich haben es die Autoren längerer Features und Reportagen leichter, eine Dramaturgie aufzubauen, aber es ist durchaus möglich, in drei oder vier Minuten sozusagen filigran überzeugende Stücke zu komponieren. Das soll zum Jahrgang 2011 keine Mäkelei sein, sondern ein Anstoss, auch die Autoren zu motivieren, immer daran zu denken, wie sie die Hörer mit auf Reisen nehmen können.
Gerade in Konkurrenz zur unendlichen Bilderflut im Fernsehen und mehr und mehr auch im Internet wird es das Radio immer schwerer haben, Reisebeiträge oder gar Reisesendungen im Programm unterzubringen. Nur noch sehr anspruchsvolle Programme, wie die Kulturwellen oder der Deutschlandfunk, werden vermutlich in Zukunft den Willen aber auch die Mittel haben, Reisereportagen oder Features zu produzieren. Außerdem gibt es ein weiteres Problem. Fast alle Sender wollen „jünger“ werden. Das gilt im Fernsehen genauso wie im Radio. Ob aber junge Hörer nun ausgerechnet auf Reisebeiträge abfahren, ist zu bezweifeln. Deshalb sollte man aber nicht gleich aufgeben. Die Mehrheit der Bevölkerung ist eindeutig älter und durchaus bereit, sich anspruchsvolles Radio anzuhören. Obwohl die ganz hohen Einschaltquoten nicht zu erwarten sind. Dieses Publikum zu erreichen, dürfte die große Aufgabe der Zukunft sein, und das geht auch bei Reisebeiträgen nur über die Qualität.
Immerhin, es kamen sechs Beiträge der Langkategorie ab zehn Minuten und acht Kurzversionen in die Endausscheidung. Es waren dann wieder die üblichen „Verdächtigen“, die das Rennen machten. Also der Deutschlandfunk, der Bayerische Rundfunk und der Hessische Rundfunk. Privatsender hatten sich nicht beteiligt.