Laudatio von Th. Michael Schweizer

Tourismus ist politisch tot

Anlässlich der Verleihung des VDRJ Columbus Ehrenpreises an den Bundestagsabgeordneten Markus Tressel hielt travel-tribune Herausgeber Th. Michael Schweizer die Laudatio auf den Preisträger. 

 

Wissen Sie wann, Mao Zedong starb?

Und Jimmy Carter US-Präsident wurde? Es war das Jahr, als die Concorde den Linienbetrieb aufnahm, die DDR-Bonzen ihren Palast der Republik einweihten und Bayern München in der Bundesliga nicht Meister wurde: 1976.

1976 geschah auch folgendes: Die VDRJ verleiht zum ersten Mal ihren Columbus Ehrenpreis. Der erste Preisträger, Hans Friderichs, war wie der aktuelle heute, ein Politiker – damals Wirtschaftsminister, von der FDP, die bei Wahlen noch 7,9 Prozent schaffte.

Es gab im Lauf der Jahre noch zwei Politiker als Preisträger: Josef Staribacher 1981 aus Österreich, Handelsminister, ÖFW-Obmann, SPÖ, und – als Positiv-Denker – auch unter deutschen Touristikern bekannt als „Happy Pepi“.

Und Jaime Cladera. 1993. Ein Mathematikprofessor und  Tourismusminister der Balearen – der, einer nicht so tollen Idee eines ehemaligen TUI-PR-Mannes aufsaß, und 10 000 sozial schwach gestellte Bürger aus der ehemaligen DDR nach der Wende nach Mallorca einladen wollte. Es wurden dann viel weniger.

Knapp nicht geschafft hat es damals der Papst. Eine Gruppe junger Wilder in der VDRJ wollte ihn ehren: als „eiliger Vater“, der nur so um die Welt düst und Alitalia glücklich macht. Die Mehrheit der VDRJ-Mitglieder war dagegen – die Frage war, ob er zur Preisverleihung kommen kann.

Sie lieber Herr Tressel, vielen Dank, sind gekommen, und wurden auch mit ganz großer Mehrheit gewählt. Allerdings: Sie sind kein Minister – oder noch kein Minister?

Als Friderichs Preisträger wurde – der ging übrigens später zu der in Grün gehaltenen deutschen Großbank, heute ebenso verschwunden von der bundesweiten Bildfläche wie seine Partei aus dem Bundestag, gab es Tressels Partei noch gar nicht: die wurde, zur Erinnerung, erst 1980 gegründet.

Da war unser Preisträger drei Jahre alt. 29 Jahre später sitzt er schon im Deutschen Bundestag – und das bis heute. Dafür braucht er übrigens 35 000 Stimmen, so viele, wie Menschen in den Ludwigspark in Saarbrücken passen, seiner politischen Heimat.

Der wird gerade allerdings umgebaut, ab 2018 gibt es nur noch 16 000 Plätze. Mit Tourismus kann man – in Berlin passen, lieber Herr Tressel, übrigens 74 000 Menschen ins Stadion – „keinen politischen Blumentopf“ gewinnen, sagen Sie, der Grüne, der um „jedes Mandat kämpfen muss.“

Das verstehen wir schon: Ihre Themen sind ja auch nicht so publikumswirksam: Ländliche Räume – und Tourismus.

Doch da haut der einstige Karate-Kämpfer schon mal verbal mit der Faust auf den Tisch. Wie etwa beim Thema Gift-Luft im Flugzeug, worüber nachher noch zu diskutieren ist.

Sein Fokus ist, anders als bei vielen anderen Tourismuspolitikern, meist auf den Verbraucher eingestellt – nimmt sich durchaus aber auch der Sorgen der Branche an. Gerade noch hat er ein Reisebüro in Crailsheim besucht, um sich über die praktischen Auswirkungen der Revision der EU-Pauschalreiserichtlinie zu informieren.

Wie, Zitat, „kein anderer hat er auf die Probleme innerhalb der Urlaubswelt hingewiesen und auf Lösungen gedrängt“, begründet die VDRJ seine Wahl – ein paar Stichworte zu seinen weiteren Themen belegen dies. Er fragt beispielsweise

+ warum es im Luftverkehr so wenige Bußgelder gegen Airlines nach Ordnungswidrigkeitsverfahren gibt

+ bei der Revision der Fluggastrechte die Bundesregierung Verabredungen aus dem Koalitionsvertrag nicht einhält und vor der Industrie einknickt (er hat übrigens nachgezählt: 14 Zeilen standen in dem Papier zum Tourismus)

+ TUIfly und Air Berlin nach Sick-out im Oktober 2016 sich um Kunden-Forderungen drücken

+ Die Bundesregierung beim Wintertourismus Anpassungsmaßnahmen verschläft – oder mit der „Sicherheit von Flugpassagieren spielt“

+ oder keine Wettbewerbsgerechtigkeit für den Schieneverkehr herstellt

 

Und natürlich hat er auf die Folgen

+ einer PKW-Maut für den Tourismus aufmerksam gemacht

+ oder die Marktmacht von Google im Online-Reisevertrieb

+ sich in die Ferienkorridor-Diskussion eingemischt

+ den Tourismusbericht der Bundesregierung kritisch gelesen wie kein anderer

+ sich mit den Flugdienstzeiten des fliegenden Personals und deren Einfluss auf die Sicherheit beschäftigt

UND, UND, UND….

 

Doch was wissen wir über den Mensch Markus Tressel? Vielleicht so viel dazu. Er mag

+ keine Opportunisten

+ oder wenn jemand „etwas trended“

+ und er mag nicht diese „Schnelllebigkeit, getrieben von sozialen Medien“ (denn das sei auch eine Art von Opportunismus)

Er liest Elisabeth Wehling – eines ihrer Hauptthemen ist die Sprache der Politik und wie sie Politiker auslegen, Viertklässler Trump lässt grüßen.

Er trinkt gerne schweren Barolo, er kocht als Saarländer, bien sur, gerne – Freunde schätzen vor allem seinen Flammkuchen aus dem Ofen im Garten, den er vorher zwei Stunden heizt und dabei „im Kopf runterkommt.“

Das gelingt ihm auch beim Segeln, obwohl er sein Boot auf dem heimischen Bostalsee im vergangenen Jahr kein einziges Mal betreten hat.

Oder beim Fahrradfahren und natürlich im Kreis der Familie, die ihn mit zwei Jungen in Alter von sechs und 16 Monaten „erdet“, wie er sagt.

Zur Politik kam der Enkel des Mitbegründers der Saarland-CDU übrigens, weil er sich über SPD-Lafontaines „Bildungskahlschlag“ im Saarland geärgert hat.

Und natürlich hat er auch den Joschka „ein bisschen bewundert“, aber nein, ein Vorbild sei Fischer nicht gewesen. Er gönne ihm heute das viele Geld, er hole – auch als Berater von Firmen aus dem Tourismus wie Rewe – als „kluger Kopf das Maximum heraus.“

Wie das Grünen-Urgestein sieht Tressel die Politik ebenso nicht als „Lebensmodell“, wobei ihm eines schon richtig „ans Herzen gewachsen ist“: der Tourismus. Vielleicht hätte er in einem anderen Job als den, den er jetzt pro Woche 70 bis 80 Stunden macht, auch mehr Zeit fürs Lesen – 40 Bücher liegen gerade unaufgeschlagen herum.

Auf eines müsste er dann aber auch verzichten: Tressel ist, was die meisten hier wahrscheinlich nicht wissen und was der andere Grüne, der dito Rote liebt, in seiner Partei nie schaffte – auch weinbaupolitischer Sprecher der Grünen, wozu auch die viel Kraft bindende Wahl der deutschen Wein-Königin gehört.

Apropos Wahl: Über die bevorstehende im September wollen wir jetzt – bei den Prognosen – lieber nicht sprechen, aber über Ihre: Die VDRJ freut sich, Ihnen, lieber Herr Tressel, den Columbus Ehrenpreis 2017 verleihen zu dürfen – für Ihre „hervorragende Verdienste um den Tourismus“ gibt.“

Herzlichen Glückwunsch.

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