1. Aus welchen Gründen war die Politik, trotz der vorhandenen Beweise, bisher in Sachen Kabinenluft untätig?
Die Politik war durchaus in Sachen Kabinenluft aktiv. Nur die Bundesregierung hat es leider versäumt , sich dem Thema angemessen zu befassen. Weder ein stringentes Konzept noch konsequente Maßnahmen sind durch die Bundesregierung und ihre nachgeordneten Behörden derzeit zu erwarten. Seit dem Jahr 2011 haben sie einen Antrag auf dem Tisch, den die damalige schwarz-gelbe Koalition ablehnte. Die SPD formulierte auf Initiative von Markus Tressel ebenfalls einen Antrag. Dieser war jedoch industriepolitisch „weichgespült“. Das Interesse einen gemeinsamen Antrag daraus zu formulieren, war nicht vorhanden und angesichts der SPD-Position auch nicht zielführend. Wir Grüne stehen weiterhin für eine langfristige Lösung, die weg vom Zapfluftmechanismus führen muss.
Kurzfristig sind Warnmechanismen, effektive Monitoringsysteme und Nervengift-freie Triebwerksöle einzusetzen. Eine epidemiologische Studie ist längst überfällig, um die vielen Gefahrenstoffe aus Ozon, Pestiziden und Triebwerksölen gerade in Verbindung mit der besonderen Atmosphäre (Druckluftkammer) auf ihre Wechselwirkungen hin zu untersuchen.
2. Warum dürfen sich die Arbeitgeber, die Airlines, bisher ihrer sozialen Verantwortung entziehen?
Das dürfen sie nicht. Und das sollten sie auch nicht. Allerdings ist nicht nur die arbeitsrechtliche Auswirkung infolge einer Erkrankung wesentlich im Sinne der sozialen Verantwortung. Die Airlines müssten in ihrer Rolle als Verbraucher den Druck auf die Industrie erhöhen. Bei Neubestellungen wird immer noch zu wenig nachgehakt, wie es mit Filtersystemen, alternativen Triebwerkölen etc. aussieht. Und solange das nicht der Fall ist, kommen die Arbeitgeber dem Prinzip der Prävention nicht ausreichend nach.
3. Was können die Grünen tun, um dieser Problematik Einhalt zu gebieten?
Die Grüne Position ist mittlerweile sowohl der Europäischen Kommission als auch der Bundesregierung wie auch den Koalitionären von CDU und SPD bekannt. Wir haben die jüngsten Ereignisse zum Anlass genommen, die Gespräche mit den anderen Fraktionen zu intensivieren, um die passive Haltung der Bundesregierung endlich zu beenden und aus der Mitte des Parlaments gemeinsamen Druck zu entwickeln. Vor dem Hintergrund des großen Einflusses aus Industrie und Wirtschaft, kann man diesem Begehren allerdings auch mit einer gewissen Skepsis begegnen. Solange wir nicht den Eindruck haben, dass sich die Bundesregierung auf richtigem Wege befindet, werden zumindest von unseren parlamentarischen Rechten Gebrauch machen und die Bundesregierung und die Koalition weitertreiben und befragen.
4. Welche mittel- und kurzfristigen Lösungen sind in Planung?
Da wir leider weder im Memberboard von Airbus sitzen, wie es die Bundesregierung tut, auch nicht im Ministerrat auf europäischer Ebene gestalten, wie es die Bundesregierung tut, und ebenso wenig die Aufsicht über die nachgeordneten Behörden haben, können wir derzeit im Sinne der oben genannten Maßnahmen nur öffentlich unsere Lösungsansätze formulieren, um so den Druck zu erhöhen.
5. Was kann jetzt schon ganz konkret für Betroffene getan werden?
Der erste Schritt wäre wohl die Anerkennung als Berufskrankheit. Hier sind noch erhebliche Anstrengungen nötig, damit die Betroffenen erhört werden. Wir fordern vor allem, dass die Zusammenarbeit der Behörden verbessert werden muss. Das hilft vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber es erhöht die Sensibilität, weil das Problem multikausal ist. Es gibt nicht „die“ eine Lösung. Und deshalb muss eine epidemiologische Untersuchung schnellstens her. Es ist doch vollkommen klar, dass eine reduzierte Sauerstoffumgebung in Verbindung mit einem Reizgas wie Ozon nicht gesund sein kann. Und da sprechen wir noch nicht von Pyrolyseprodukten eines nervengifthaltigen Triebwerköls. Diese Studie von einem interdisziplinären Team von Fachleuten – und nicht etwa ausschließlich von Luftfahrzeug-Ingenieuren – durchführen zu lassen, sollte ein bedeutender Schritt sein, weil mit den Ergebnissen nicht nur technische Schritte sondern eben auch arbeitsrechtliche Schritte folgen müssen.
6. Wie kann der Arbeitgeber hierzu in die Verpflichtung genommen werden?
Im Sinne des eben beschriebenen Mechanismus sollten die Arbeitgeber sich verpflichtet fühlen, sich sehr schnell an die Spitze der Bewegung zu setzen. Sie sind nicht erst jetzt, sondern seit Jahren gefragt. Und sie haben bislang nicht geliefert. Doch das Eis, auf dem sie sich bewegen, wird immer dünner. Das merken sie nicht erst durch die ansteigende Zahl von Krankmeldungen, sondern eben auch an Zwischenfällen, die allesamt Geld kosten. Wer das nicht erkennt, wird es in Zukunft sehr schwer haben.
7. Wie kann man nach die Gesundheit von Crew und Gästen vor den Folgen zukünftig auftretender „Fume-Events“ wirksam schützen?
Iceland-Air hat ein nervengiftfreies Triebwerköl eingesetzt. Das wäre zumindest ein erster Schritt, um Nervengifte zu vermeiden. Gesundheitsgefahren wird es aber weiterhin geben, zumal auch bei Pestiziden Nervengifte eingesetzt werden.
8. Wie können die Gäste bei Auftreten eines „Fume-Events“ geschützt werden?
Die an Bord befindlichen Sauerstoffmasken, die aus einer Klappe der Kabinendecke herausfallen können, sind ausschließlich für einen unerwarteten Druckabfall in der Kabine zu benutzen, da man auf chemischen Wege produzierten Sauerstoff einatmet, der mit Kabinenluft angereichert ist.
Genau mit dieser Frage war die Bundesregierung bereits konfrontiert. Die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Markus Tressel war Ausdruck von fehlendem Problembewusstsein.
9. Wie kann die Kabinencrew vor den gesundheitlichen Folgen eines „Fume-Events“ geschützt werden, um die Fähigkeiten für die gesetzlich vorgeschriebene Evakuierungen und die Notfallversorgung sicherzustellen?
An Bord befinden sich wenige Brandfluchthauben, die aber laut BG Verkehr nur zur Feuerbekämpfung eingesetzt werden dürfen. Zudem stehen nicht genügend Hauben für jedes Crewmitglied zur Verfügung und die Einsatzdauer ist auf max. 15 bis 30 Minuten begrenzt. Diese Frage ist durchaus besorgniserregnd und deshalb ebenfalls Bestandteil einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung.
10. Wie soll der Arbeitgeber gemäß seiner sozialen Verantwortung mit zukünftig Betroffenen umgehen?
Eine Erkrankung des Nervensystems bedeutet einen solch erheblichen Einschnitt in die Gesundheit, dass die Arbeitgeber nicht nur über die BG Verkehr schnellstmöglich eine Lösung finden sollten, sondern vor allem den bereits Betroffenen zeigen sollten, dass sie bei der Industrie für technische Lösungen kämpfen. Das wäre das konsequenteste Zeichen sozialer Verantwortung. Hier wär eine mindestens genau so große Kreativität wünschenswert, wie sie beim Ausreden finden oder beim Kleinreden des Problems ja ganz offensichtlich vorhanden ist.
11. Warum dürfen Fluggesellschaften noch immer den Passagieren keine ausreichende zapfluftfreie Sauerstoffversorgung anbieten?
Das kann man eigentlich nicht erklären. Aber es bedarf eines gemeinsamen Willens: von Politik, Wirtschaft, Industrie und Arbeitnehmern. Ist der Wille bei Wirtschaft und Industrie nicht vorhanden, muss die Politik nachhelfen.
12. Warum sind seitens des Deutschen Gesetzgebers keine Geräte zur Messung und Überwachung der Luftqualität in Flugzeugen verpflichtend vorgeschrieben?
Das Luftfahrtbundesamt könnte hier in der Tat eine aktivere Rolle einnehmen. Es müsste dafür Empfehlungen an die EASA richten, wie das nun ja auch die BFU erstmals – jedoch noch zu inkonsequent und auch mit im Detail falschen Schritten – tut. In der Tat ist es aber so, dass hier die EU gefragt wäre. Da das Europäische Parlament kein Gesetzesinitiativrecht hat, müsste das die Europäische Kommission tun. Und hier kommt wieder unsere Bundesregierung ins Spiel. Denn das, was sie dort bislang getan hat, war nichts außer heiße Luft.