VDRJ Columbus Autorenpreis 2016

Bunte Welt

Der Jahrgang 2016 ist geprägt von Gegensätzen. Die Sieger schreiben über das Immergleiche, über skurrile Ländersammler, über den Aufbruch ins Unbekannte – und fangen so die ganze Welt des Reisens ein.

Die Welt des Reisens ist so bunt wie die Menschen, die in ihr unterwegs sind: der eine schweift gern in die Ferne, der andere schätzt das Bekannte. Exotik und Gewohnheit, Entspannung und Rastlosigkeit – die Siegergeschichten des Columbus Autorenpreises greifen 2016 all das auf, was das Reisen ausmacht und Reisende antreibt.

Auch im Journalismus lassen sich Reisen nicht auf die Reportage als Königsdisziplin beschränken. Um die Vielfalt des Ressorts zwischen Essays, Porträts und Satire, die besondere Herangehensweise von Bloggern (die in diesem Jahr in erfreulich großer Zahl am Wettbewerb teilgenommen haben), um das Feingefühl, den Witz und die Rechercheleistung von engagierten Autoren besser würdigen zu können, musste in diesem Jahrgang ein neuer Preis her: ein Preis für besondere journalistische Leistung.

Robert Treichler ist der Sieger der Kategorie Beste Reportage. Der Österreicher, Jahrgang 1968, reist am liebsten an die Adria, in den Badeort Jesolo – immer wieder, zwanzig Mal. Das Unverständnis seiner Mitmenschen darüber wischt er weg mit einer Liebeserklärung in der ZEIT, witzig, behutsam und voller „Herzblut“, findet Jurorin Barbara Liepert. Treichler freut sich, Jahr für Jahr im Urlaub nach Hause zu kommen, genießt den „Zustand totaler Erwartungslosigkeit“ beim Tretbootfahren und Boccia spielen. Das ist nicht glamourös, aber eine vertraute Konstante – erst für das Kind, dann den jungen Erwachsenen, schließlich den Vater. Jesolo wird zum „Spiegelbild seines eigenen Lebens“, stellt Juror Andreas Steidel fest. „Eine wohlwollende Geschichte über das, was so viele Leute machen.“ Und das Wichtigste: „Es macht Spaß sie zu lesen.“ (Ury Steinweg)

Der Gewinner der Kategorie Beste journalistische Leistung ist Merten Worthmann. Mit seinem Porträt über Don Parrish, den meistgereisten Mann der Welt, stellt der ZEIT-Redakteur einen echten „Destinationsjäger“ vor. Einen Mann, der auf der Internetliste der „Most Traveled People“ auf Platz eins steht, der von einer Vorstadtsiedlung Chicagos in militärische Sperrgebiete reist, Schiffe im Südatlantik chartert und sich verhaften lässt, nur um weitere Haken setzen zu können. Worthmann, Jahrgang 1963, hinterfragt dabei die Sammelleidenschaft vieler Reisender, die Weltkarten mit Stecknadeln markieren oder Stempel im Pass wie Trophäen behandeln, und „bricht gleichzeitig mit den Klischees, die man als Leser erwartet“, meint Jurorin Mona Contzen. „Eine extreme Geschichte mit hohem Unterhaltungswert“ und „ein tolles Thema, das man nicht schon tausend Mal gelesen hat“, würdigen Christian Leetz und Andreas Steidel den Siegertext.

Der Nachwuchspreis geht, wie schon im vergangenen Jahr, an Theresa Breuer. Für die Zeitschrift Neon verbrachte die Freiberuflerin, Jahrgang 1986, zehn Tage mit einer, wie sie sagt, jungen „Feiermeute“ im Iran. Zwischen Drogen- und Alkoholexzessen träumte sie während der Recherche mehr als einmal davon, im Knast zu landen. Doch so gelingt es ihr, die Sehnsüchte und Sorgen unangepasster, junger Menschen einzufangen, die in einem repressiven Land, „das im Westen lange als islamistischer, von Wahnsinnigen regierter Staat dargestellt wurde“, ständig zwischen Depression und Rebellion schwanken. „Die Sprache ist klar und lebendig und sie kommt diesen Leuten wirklich nah“, lobt Jurorin Antje Blinda diesen Einsatz.

 

Die Jury 2016

Barbara Liepert, FAZ/FAS

Elke Michel, ZEIT

Ury Steinweg, Gebeco

Antje Blinda, Spiegel Online

Michael Zehender, DPA

Andreas Steidel, Freier Journalist

Christian Leetz, TN Deutschland

Johannes Klaus, Reisedepeschen

Nikola Haaks, Brigitte

Mona Contzen, Geschäftsführerin VDRJ

 

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