Zukunft war gestern – Aufbruch muss heute sein

Reisejournalismus - Dämmerung? - Foto: Rüdiger Edelmann

Stochern im Nebel der Berufssicherheit war einmal. Die soziale Lage im Reisejournalismus wird immer prekärer. Die VDRJ hat Journalisten und PR-Profis im August 2022 befragt

von Rüdiger Edelmann

Es war nicht die erste Umfrage. Einige gab es schon früher und besonders hervorzuheben ist die Untersuchung, die „Best-Reisen“ im Frühsommer durchgeführt hatte. Was sich dort bereits als Problem gezeigt hatte, wollten wir genauer wissen.

Für die VDRJ haben wir (Marina Noble, Hans-Werner Rodrian & Rüdiger Edelmann) eine eigene Befragung entwickelt und gestartet. Genaugenommen waren es zwei Umfragen, denn als berufliche Standesorganisation haben wir auch, in einem eigenen Arbeitskreis, PR-Fachleute als Mitglieder in unserer Vereinigung. Jetzt liegen die Ergebnisse vor und das Ergebnis war teils mutmachend, teils erschreckend.

Überleben – aber wie?

Menschen, die ihren Beruf lieben, sind ganz offensichtlich bereit die bereits existierende Mangelwirtschaft unter noch schlechteren Bedingungen fortzusetzen. Wie lange das noch gehen kann, steht in den Sternen. Wir haben uns dabei auch nicht gescheut nach konkreten Zahlen zu fragen.

Auch bei den PR-Profis schien die Situation zu Beginn der Pandemie prekär. Glaubt man den Umfrageergebnissen, hat sie sich aber ziemlich gut erholt. Hier drückt der Schuh in ganz anderen Bereichen.

Infos zur Befragung

Unsere Befragung ist nicht repräsentativ, liefert aber wichtige Schlaglichter auf einen Beruf, der sich bestenfalls im Wandel befindet und im schlechtesten Fall ausstirbt.

Zu den Befragten zählten in beiden Berufsfelder nicht nur VDRJ-Mitglieder, sondern auch fachlich anerkannte Reisejournalisten und PR-Fachleute, die (noch) nicht zu unserer Vereinigung zählen. 74 Personen haben an der Befragung teilgenommen, jeweils 37 aus jeder Zielgruppe. Bei der Auswertung der Prozentzahlen ist damit  37 = 100%

Licht aus in der Reiseradaktion? – Foto: Rüdiger Edelmann

Schlaglichter der Umfrage unter Reisejournalisten

Die persönliche Situation der Kolleginnen und Kollegen läuft auf einen Drittelmix hinaus. Jeweils ein gutes, bzw. knappes Drittel sieht die eigene Lage gut, zufriedenstellend oder schlechter, wobei dort die Mehrheit die Situation immer noch als ausreichend bezeichnet.

Corona Auswirkungen

Schaut man positiv gestimmt auf Zahlen eröffnet sich ein anderes Bild. Über die Hälfte der Befragten sagt, dass Corona die berufliche Situation verschärft habe. Über die Hälfte der Befragten hat während der Pandemie auch keiner staatliche Unterstützung in Anspruch genommen oder in Anspruch nehmen können. Trotz der angespannten Situation planen aber 57,1% der Befragten keine Veränderungen im eigenen Beruf.

Dies mag an der sehr unterschiedlichen Aufteilung der Einkommensverhältnisse liegen. Eine Mehrheit von 41% bezifferte das Monatseinkommen über 3.000 Euro, allerdings mussten sich auch 20 Prozent der Befragten mit einer monatlichen Einnahme abfinden, die unter 1.000 Euro liegt. Für 35 Prozent der Befragten hat sich auch nach der Corona-Extremzeit nicht viel geändert.

Die Einkommensstruktur vor der Pandemie war, trotz aller widrigen sonstigen Umstände, nicht so schlecht wie befürchtet, wenngleich kein Grund zum Jubeln besteht. Bedenklich ist, dass, trotz der positiven Aussagen zur Überlebensfähigkeit, ein Drittel (32,4%) aller Reisejournalisten Einkommensverluste von 50 Prozent und mehr hat und immer noch 23,5% aller Befragten bis zu 50 Prozent weniger verdienen als vor der Pandemie.

Dies liegt aber nicht nur an den vorübergehenden Einschränkungen,  sondern offensichtlich an Veränderungen in der Medienlandschaft durch die Pandemie während des Neustarts.

Problemfelder

Sie sind vielschichtig und haben ihren Ursprung auch in der bereits vor der Pandemie begonnenen Veränderung der Medienlandschaft.

Mehr als zwei Drittel der Befragten sehen die immer geringer werdenden Honorare als Problem. Über die Hälfte beklagen den Schwund in Reiseteilen bei Tageszeitungen und Magazinen. Erschwerend kommt dazu, dass in Reiseteilen immer öfter Agenturmaterial statt authentischer Storys verwendet werden

40,5% registrieren das Schwinden der Bedeutung traditioneller Medien. Damit korreliert,  dass mehr als die Hälfte der befragten Reisejournalisten das Gefühl haben, dass Influencer inzwischen große Teile von Marketingetats zu Lasten von Reisejournalisten abgreifen. Eine Situation, die die touristischen Anbieter zu verantworten haben. Dies mache die eigene Recherche und das Angebot an Unterstützung, beispielsweise durch Pressereisen, schwieriger.

Eine Lösung sieht die Mehrheit der Befragten nicht. An die Hoffnung, dass Verlage die Bedeutung „der Reise“ erkennen und für die finanzielle Ausstattung bei Recherche und Honorar sorgen, glauben 86 Prozent nicht mehr. Auch an eine Rückkehr von Anzeigenkunden, die in der Regel den finanziellen Grundstock für die Finanzierung von Reiseteilen liefern, glaubt ein Drittel der Befragten derzeit nicht. Nur 11 Prozent setzen darin eine Hoffnung.

Perspektiven

Die Suche nach neuen Themen hat begonnen. Immerhin ein knappes Drittel setzt darauf. Allerdings zeigen sich 60 Prozent der Befragten unentschieden bis ratlos.

Zweite Perspektive könnte die ressortübergreifende Entwicklung von Reisethemen, zum Beispiel in Bereichen wie Wirtschaft, Umwelt, Ökologie und auch Regionalem, liegen. Die Mehrheit der Befragten (61,1%) geht demnach davon aus, dass sie sich auf Themen anderer Ressorts spezialisieren müssen, um eine Chance zu haben. Immer noch knapp 20% der Befragten halten dies teilweise für wahrscheinlich. 19,5% glauben nicht an eine ressortübergreifende Zukunft.

Auch den Aufbau eigener Publikationskanäle halten mehr als die Hälfte der Befragten eventuell für zielführend. Die materielle Situation wird dies aber vermutlich nicht nachhaltig verändern.

Hat Reisejournalismus noch Zukunft?

Angesichts der gegenwärtigen Situation hat zumindest ein „klassischer Reisejournalismus“ kaum Chancen. Die Schlagzeilen der offen gestellten Frage ergab unter anderem folgende Aussagen:

  • Der RJ der Vergangenheit stirbt. Übergreifende Tätigkeit mit Spezialisierung mag Chancen haben.
  • Nicht auf Reisejournalismus kaprizieren. Besser mit zwei bis drei weiteren Standbeinen arbeiten.
  • Online denken
  • Definiere Dich als Journalist, der viel reist, nicht als Reisejournalist. Sofort siehst Du mehr Themen
  • Breitestmöglich aufstellen: viele Medien, viele Themen, aber auch viele Medienarten wie Print/Social/TV etc.
  • Netzwerken!! Persönliche Kontakte aufbauen und pflegen, sich spezialisieren,  am wichtigsten ist das Thema. Mit guten Themen ohne Scheu an viele Medien herantreten. Keine Antwort oder Absagen haben wenig Bedeutung,  immer stoisch weiter anbieten. Anfragen kurz,  freundlich und klar formulieren.
  • Redakteuren fehlen gute Texte mit Expertise, die sich zum Beispiel in Printprodukten von der häufigen Belanglosigkeit vieler Geschichten abheben. Freie junge Kollegen und Kolleginnen sollten versuchen, ein monatliches Grundeinkommen abzusichern. Im besten Falle bei einem Verlag.

HIER! stehen die Details zur Reisejournalisten-Umfrage

Auch wenn es immer härter wird: Die VDRJ wird am Ball bleiben und weiterhin für einen der schönsten Berufe der Welt kämpfen.

Foto: Rüdiger Edelmann

Schlaglichter der Umfrage in der Reise-PR

Die zweite Befragung richtete sich an PR-Fachleute, Agenturen, Pressestellen und freie PR-Beratungen. Die Fragen waren teilweise identisch. Allerdings gab es auch spezielle Fragen zum PR-Geschäft. Letztlich wollten wir etwas mehr erfahren über die Einschätzung der PR-Fachleute in Sachen Reisejournalismus und dessen Zukunft.

Die persönliche Situation in der Touristik-PR wird hier von der Mehrheit der Befragten als überwiegend gut bis sehr gut (61,2%) eingestuft.

Corona-Auswirkungen

Erstaunlich waren auch die Antworten zu den Auswirkungen der Pandemie. Ein knappes Viertel der Befragten sprach von einer sich verschlechternden Situation. Über zwei Drittel (69,4%) bestätigen letztlich eine gleichbleibende berufliche und persönliche Situation. Diese Aussagen stehen aber vermutlich auch im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen wie Überbrückungsgeld und Kurzarbeitszahlungen. 62,1 Prozent haben solche Staatshilfen in Anspruch genommen.

Die Arbeitsfelder in der PR haben sich in der Hochzeit der Pandemie zum Teil erheblich verändert. Nachhaltig hat sich die Situation aber wieder eingependelt, wenngleich Veränderungen geblieben sind. Auch beim Einkommen zeigt sich dies bestätigt. Gab es Einkommensverluste während der Krise (35,1%), so hat sich dies inzwischen normalisiert. Nur noch 2,8% sprechen von erheblichen Einkommensverlusten.  Inzwischen

Problemfelder

Hier gibt es interessante Überschneidungen zu den Antworten in der Journalistenumfrage. Auch in der Touristik-PR wird geklagt über den Rückgang der Reiseteile in den Print-Medien und das Verschwinden der Reiseberichterstattung in elektronischen Medien Radio und TV (67,6%). Genannt werden außerdem der Bedeutungsschwund klassischer Medien insgesamt (54,1%), geringer werdende Budgets und Honorare (40,5%) sowie das Schwinden von Etats zugunsten von Influencern (45,9%). Aufgrund der Werbebotschaft und schicker Aufmachung würden sie von touristischen Dienstleistern immer stärker genutzt.

Beklagt wird darüber hinaus der Fachkräftemangel in der Touristik-PR-Branche. 32,4% der Befragten bestätigen, dass sie Schwierigkeiten haben qualifizierte Mitarbeitende zu finden.

Über die Hälfte der Befragten beklagt zudem die Zunahme von Schwierigkeiten bei der organisatorischen PR-Arbeit durch die gegenwärtige Situation im Tourismus. (Kosten, Organisation von Flügen, hohe Preise in Destinationen)

Perspektiven

Die Perspektiven der Tourismus-PR werden alleine schon durch die Antwort bestätigt, dass über die Hälfte (51,3%) der Befragten antwortet, es gäbe wiederweitgehend  „Business as usual“. Allerdings wurden auch Dinge genannt, die künftig unabdingbar in der Reise-PR seien.

  • In der Pressearbeit Reisethemen auch für andere Resorts aufbereiten z.B. Vermischtes/Buntes, Auto, Gesundheit
  • Nicht nur mit Reisejournalisten arbeiten, sondern auch mit Medien-vertretern aus Bereichen wie Lifestyle, Kultur, Lokales, Wirtschaft etc.
  • Andere PR-Disziplinen beherrschen/anbieten z.B. Social Media, Events, Marketing-Services (also nicht klassische Pressearbeit)
  • Verstärkt PR-Tools wie Audio-Presskits, Videos anbieten
  • Eigene Kommunikations-Kanäle wie Blog, Podcasts entwickeln
  • Kunden/Aufgaben außerhalb der Touristik für weitere Standbeine suchen
  • Aktivitäten verstärken, um neue Mitarbeiter zu gewinnen

Perspektiven für den Reisejournalismus (Blick der PR)

Diese Frage wurde bewusst gestellt, um in Erfahrung zu bringen, wie die direkten Partner der Reisejournalisten die Zukunft sehen. Danach sind die Chancen für den Reisejournalismus denkbar schlecht aus, trotz der wieder steigenden Unterstützung von Seiten der PR (43,2%).

Nur 2,7% der Befragten sehen gute Perspektiven durch das Erkennen der Themenwichtigkeit in Verlagen und die entsprechende Unterstützung. 62,3% sehen hier keine Chance. Auch das Wachsen von Anzeigen sehen PR-Fachleute mit 66,7% überwiegend skeptisch. Das ressortübergreifende Arbeiten sehen auch PR-Fachleute als Perspektive (45,9%).

Zudem gab es offene Antworten zum Thema, das auch Aktivität und Kreativität im Journalismus einfordert.

  • Das Betätigungsfeld wird breiter werden. Es reicht nicht mehr gut zu schreiben. Man muss dazu Fotografie und die Onlinewelt bedienen können.
  • individuelle Qualität setzt sich durch.
  • Reisejournalisten planen selbstständiger und ggf. auch multimedialer

Als Hilfestellung sieht eine Antwort auch die Neugestaltung von Recherchereisen an. Man müsse Recherchereisen für Freischaffende so gestalten, dass mehrere Geschichten aus eine Reise herauskommen

HIER! stehen die Details zur PR-Umfrage

 

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2 Kommentare

  1. Guten Morgen,
    interessante, wichtige Umfrage mit einer Schlußfolgerung, die ich so nicht stehen lassen kann:
    „Erschwerend kommt dazu, dass in Reiseteilen immer öfter Agenturmaterial statt authentischer Storys verwendet werden“.
    Diese Aussage bzw. Wertung beinhaltet für mich als Mitarbeiter/freelancer einer Agentur das Folgende: Verfasser von Agenturberichten waren nicht vor Ort, deren Berichte sind demnach nicht authentisch… Das stelle ich jedoch allemal in Frage. Sind die Kollegen etwa von srt, dpa usw. nicht unterwegs? Schreiben sie alle vom Tisch aus ? Ich darf freundlich bitten hier nicht zu verallgemeinern! Natürlich ist es für die Printmedien (Tagespresse) viel preiswerter Agenturmaterial zu nehmen, welches ohnehin im Abopaket enthalten ist, als Einzelhonorare zu geben. Und für die Redakteure, die nicht nur die Reiseseiten betreuen sondern eine Menge weiterer Themen (Auto/Garten usw.) auch einfacher, als mit einzelnen Freelancern Themen abzusprechen.

  2. Dieses Zitat ist leider nicht korrekt. Wir sprechen seit geraumer Zeit nicht mehr von Hauptberuflichkeit. Vielmehr steht in unserer Aufnahmeordnung: „Aktives Mitglied kann gemäß § 3 der Satzung werden, wer zum Zeitpunkt der Aufnahme professionell als Journalist, Autor, Blogger, Regisseur, Producer, Kameramann oder Fotograf oder im Fachgebiet Reise/Tourismus arbeitet. Die Mitgliederstruktur setzt sich überwiegend aus inhaltlich arbeitenden Berufsgruppen wie freien und angestellten Journalisten, Fotografen, Bloggern, Buchautoren, PR-Beratern und Pressesprechern zusammen.“ – Darüberhinaus gibt es noch eine individuelle Beurteilung unseres Aufnahmeausschuss bei jedem Mitgliedsantrag. Es ist im Übrigen nicht die Schuld der Kolleginnen und Kollegen, dass man heute von Reisejournalismus (ausschließlich) nicht mehr leben kann.

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