Wahlnachlese: Reisejournalisten als Vorbild?

Tourismusausschuss

Was kümmert es die deutsche Eiche… – oder mehr Aufwand wagen: Eine Wahlnachlese.

Man kennt das Sprichwort. Die Bundestagswahl 2017 ist Geschichte. Die Wahl hat stattgefunden und das Ergebnis ist für viele aufrechte Demokraten ein Horror. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie wir als Journalisten – und  spezialisiert auch als Reisejournalisten – mit diesem demokratisch entstandenen Ergebnis umgehen.

Der Deutsche Journalistenverband, dem viele VDRJ-Mitglieder angehören, hat gestern die AfD, genauso wie alle anderen Parteien, an ihre Auskunftspflicht gegenüber den Medien erinnert. Insbesondere die AfD forderte man auf, Schluss zu machen mit dem „Medienbashing“ und dem Ausschluss von Journalisten bei Parteitagen oder anderen bedeutenden Veranstaltungen. Diese Pressefreiheit müssen wir verteidigen, keine Frage. Das gilt für den Journalismus per se.

Ist Journalistenbashing zielführend?

Doch wie geht man mit seinen Themen um? Hilft es Teile des eigenen Landes von der Berichterstattung auszuschließen? Ist es zielführend, das „Journalistenbashing“ der AfD mit einem „Sachsenbashing“ zu beantworten? Ich denke, nein. Die undifferenzierte Äußerung „Sachsen, bad, very bad“, mag einem amerikanischen Präsidenten, aus seinem Blickwinkel heraus, zu Gesicht stehen. Zielführend sind Pauschalisierungen nie. Es stellt sich die Anschlussfrage, wovon wir als Reiseziel abraten wollen? Von Deutschland, mit Ausnahme des „wackeren westfälischen Dorfs“ Münster, wo sich der einzige bundesdeutsche Wahlkreis befindet, indem die AfD an der 5 Prozent – Hürde gescheitert wäre?

Keine Frage: 27 % Stimmenanteil der AfD in Sachsen finde ich unerträglich. Aber was ist mit den 22,7 % in Thüringen, den 20,2 % in Brandenburg, den 19,6% in Sachsen-Anhalt, den 18,6 % in Mecklenburg-Vorpommern oder den 15,4 % im Wahlkreis Duisburg II mitten in Nordrhein-Westfalen? Weniger schlimm? Nicht so tragisch?

Versagen der großen Volksparteien?

Ist es nicht auch ein Versagen der großen Volksparteien und einer gewesenen Großen Koalition, Menschen in unterschiedlichen Gegenden der Bundesrepublik das Gefühl gegeben zu haben abgehängt zu sein, bzw. Gegenden abzuhängen? Es ist ein typisches Einzelbeispiel, das von der „heute+-Redaktion“ gestern Abend aufgearbeitet wurde am Beispiel von „Dorf Chemnitz“ in Mittelsachsen. Die einzige Partei, die den Weg während des Wahlkampfes dorthin gefunden hat, war die AfD – mit Erfolg (31,2 %). Im Übrigen vertreten durch Frauke Petry, die jetzt weder der AfD-Fraktion noch der Partei angehören möchte. Volkes Stimme sagte: „Das waren die Einzigen, die uns ernst genommen haben“. Und damit auch missbraucht für eine rechte Neonazi-Politik, möchte ich anmerken. Es hat funktioniert. Wenn dann unsere Bundeskanzlerin am Tag nach der Wahl ein „Weiter so“ verkündet, dann liegt der Verdacht nahe, dass da in unserer Politik etwas schief läuft.

Ich stehe für eine offene und multikulturelle Gesellschaft in Deutschland. Etwas Anderes kommt für mich nicht infrage. Aber, wenn ich mir selber gegenüber ehrlich bin, verzweifle ich an Terrordrohungen und Anschlägen, von Menschen, die mindestens so fanatisch und unreflektiert agieren, wie Neonazis und andere Nationalisten. Letztere nisten sich nicht nur bei uns ein, sondern auch in Frankreich, Österreich, Polen, Ungarn oder gar den Niederlanden. Angst ist immer ein schlechter Berater bei politischen Entscheidungen. Deshalb funktioniert ja auch das Schüren von Ängsten durch Nichtdemokraten so hervorragend.

Reisejournalisten mit Vorbildfunktion

Was folgt daraus für mich, als Reisejournalisten? – Der klare politische Blick, die unvoreingenommene Recherche und der daraus resultierende Bericht oder auch Kommentar. Das setzt Mühe, Aufmerksamkeit, Recherche und auch ein wenig Aufwand voraus und es führt zur Erkenntnis, dass sich die Berichterstattung über Dresden, Usedom oder auch Duisburg nicht in der Teilnahme am schönen Programm einer Tourismusorganisation erschöpfen darf. Die schönen Teile des Reisens gehören zweifelsfrei zu unserem Job. Sie sind quasi der Garant für eine Veröffentlichung in vielen Medien. Unsere journalistische Verpflichtung und der damit verbundene Aufwand gehen weit darüber hinaus. Daran müssen wir als Reisejournalisten arbeiten, bevor wir aus der Ferne Mauern wieder aufbauen. Es ist die Förderung dessen, was Willy Brandt einst mit „mehr Demokratie wagen“ bezeichnet hat.

Noch ein wenig brutaler gesagt: „Mehr Arsch in die Hose“ bekommen wir nur, wenn wir uns vor Ort umsehen und ein wenig mehr investieren, als bisher üblich. Wohlwissend, dass dies von der örtlichen Tourismusorganisation nicht finanziert wird.

Rüdiger Edelmann

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