Gedanken der Jury zum Jahrgang 2013

Radiopreis

Wofür steht eigentlich der von der VDRJ seit Jahren ausgetragene Columbus Radio-Wettbewerb? Er soll in erster Linie qualitativ hochwertigen und spannend präsentierten Hörfunk-Journalismus auszeichnen und darüber hinaus natürlich auch immer wieder Mut machen, neue Wege im Radiojournalismus zu gehen. Und das, möglichst ohne dabei auf Qualität zu verzichten. Gute Hörfunkbeiträge, die gerne auch neue Wege beschreiten dürfen und sich nicht sklavisch am „Althergebrachten“ festklammern; die trotzdem handwerklich solide produziert und sauber eingesprochen und vertont werden. Die meisten der 31 eingereichten Beiträge des Jahrgangs 2013 (16 in der Kategorie „kurz“ bis zehn Minuten Länge, 15 in der Kategorie „lang) haben es in diesem Jahr mit weitem Abstand zu den Gewinnerbeiträgen nicht oder nur mit Mühe in die von der Vor-Jury zusammengestellte Auswahl geschafft. Sieben Kurzbeiträge und sechs Langfeatures wurden am 20. Januar 2014 in Berlin von dem siebenköpfigen Gremium angehört, diskutiert und bewertet.

Die Vorauswahl der Jury ist in den vergangenen Jahren notwendig geworden, weil die Zahl der eingereichten Beiträge von Jahr zu Jahr steigt. Das liegt auch daran, dass nicht mehr nur die klassischen Reiseredaktionen, sondern auch Wirtschafts-, Wissenschafts- und Politikredaktionen ihre Stücke in den Wettbewerb schicken.

Erfreuliche Trends

Dieser erfreuliche Trend zeigt einmal mehr, dass das „Reisen im Radio“ – obschon seit Jahren totgesagt – aus der deutschsprachigen Radiolandschaft glücklicherweise nicht wegzudenken ist. Und das ist gut so! Dabei müssen eine gute Reisereportage oder ein Beitrag nicht zwingend in weiter Ferne angesiedelt sein, um die Lust auf den Blick über den eigenen Tellerrand zu wecken. Der diesjährige Gewinner des Goldenen Columbus in der Kategorie „Lang“, Simon Kremers auf NDR Info gesendeter Beitrag „Laut, Luxuriös, Lasziv: Beirut – die Partymetropole der arabischen Welt“ zeigt sehr deutlich, dass z. B. auch Krisengebiete, in die kein Pauschalreisender sich jemals verirren würde, eine Faszination ausstrahlen, die einzufangen und anspruchsvoll für das Publikum zu Hause aufzubereiten eine wahre Kunst ist. Reisejournalismus muss sich nicht immer hinter bunten Bildern verstecken. Reisejournalismus darf polarisieren und die Welt in kräftigem schwarzweiß zeigen. Wenn ein Beitrag es dann auch noch schafft, das Kopfkino des Hörers anzuwerfen und man mit geschlossenen Augen in eine Welt eintauchen darf, die durch klare Sprache, starke Bilder und sorgfältig ausgesuchte Protagonisten besticht, dann ist sich die Jury sehr schnell einig, dass dieser Beitrag ganz oben auf das Siegertreppchen gehört.

 Spannendes im normalen Alltagstrott vor der Haustür

Auf der anderen Seite, und das zeigt der Silberne Beitrag unter den Langfeatures ganz deutlich, lassen sich auch vor der eigenen Haustür im ganz normalen Alltagstrott spannende Situationen und Begebenheiten entdecken, die es sich lohnt, in einer Radioreportage zu beschreiben. Hans Günther Meurer hat in seiner HR4 Reportage „Hamburger Hafengeschichten“ eben jenen mit all seinen kleinen liebenswerten Details und Eigenarten trefflich beschrieben. Sowohl die mit dem Hamburger Hafen vertrauen Jurymitglieder, als auch diejenigen, die noch nie einen Fuß hinter seine Kulissen gesetzt hatten, waren gleichermaßen begeistert von der klaren Sprache und den authentischen Erzählsträngen, die Hans Günther Meurer zu einem 25-minütigen Feature verwoben hat.

Bei den Kurzbeiträgen kam immer wieder die Frage der Vergleichbarkeit auf: Kann man einen soliden Dreiminüter mit einem ausgefeilten, neuneinhalb Minuten langen Stück überhaupt vergleichen? Einhellige Meinung der Jury: Man kann! Denn das wahre Handwerk des Journalisten zeichnet sich ja dadurch aus, dass er sich vor Ort aufhält, umschaut, seine gewonnenen Eindrücke festhält und mit möglichst authentischen O-Tönen untermalt und diese Melange zu einer im besten Fall spannenden Reportage zusammenschneidet.

Michael Marek ist das in seinem mit dem Silbernen Columbus in der Kurz-Kategorie ausgezeichneten ORF-Beitrag „Promenieren vor der Krone: Liberty Island“ sehr schön gelungen. Er berichtet neues und bis dato unbekanntes über einen Platz auf der Welt, von dem wahrscheinlich jeder glaubt, bereits alles Wissenswerte zu wissen und bereits alles darüber gehört zu haben: Die Freiheitsstatue in New York. Mit sauberer Sprache, geschickt einmontierten Musikelementen und überraschenden O-Tönen schafft es Michael Marek, ein spannendes Portrait dieses Ortes zu erstellen, ohne die bekannten Plattitüden zu bemühen, die viele der eingereichten Beiträge in diesem Jahr ‚ausgezeichnet’ haben. Wie zum Beispiel (literarisch sicherlich wertvolle) Reiseberichte, die auf den Spuren belesener Zeitzeugen wandeln. Es reicht für eine Auszeichnung mit dem Columbus-Radiopreis eben nicht aus, dem Hörer einen Reiseführer vorzulesen und diese Lesung mit mehr oder weniger stanzenhaften O-Tönen des örtlichen Tourismusbeauftragen zu garnieren. Von der fehlenden klanglichen Atmosphäre ganz zu schweigen. Es hilft einfach, die eigenen Augen und Ohren offenzuhalten, und sich nicht zu sehr an den offiziellen Verlautbarungen der Tourismus- und PR-Berater zu orientieren.

Ambitionierter Privatfunk

Natürlich ist es mit dem offenen Blick allein nicht getan, wie der sehr ambitioniert gestaltete eingereichte Beitrag aus dem Privatfunk gezeigt hat. Ein wirklich spannendes Thema, im Ansatz durchaus Neugierde weckend aufbereitet. Handwerklich allerdings fern ab von allem, was man als Qualitätsjournalismus bezeichnen könnte. So jedenfalls die große Mehrheit der Jury in ihren Einzel-Begründungen. Trotz widriger Produktionsumstände, niedriger Budgets und sonstiger, in Hintergrundgesprächen mit Autoren und Redakteuren vorgebrachter Gründe: Eine saubere Aussprache, verständlich formulierte und sich an den gängigen Regeln der deutschsprachigen Grammatik orientierende Sätze sind das Mindestmaß dessen, was für eine erfolgreiche Teilnahme am Columbus Radiopreis von der VDRJ erwartet wird. Wenn ein Beitrag dann noch einen Mehrwert über die Zieldestination bietet und hilft, Kulturen kennen zu lernen und darüber hinaus politische und soziale Entwicklungen im Blick behält, dann steht einer Auszeichnung mit einem Columbus nichts mehr im Weg. Die Zukunft der Radio-Reisereportage ist also gesichert. Vor allem, wenn sie so perfekt multimedial aufbereitet und weiterverwertet wird, wie Manfred Schuchmann das mit seinem Gewinnerbeitrag macht. Auf seiner Homepage www.mediastoria.de hat er den mit dem Bronzenen Columbus in der Kategorie Kurzbeiträge ausgezeichneten DLF-Beitrag „Eine Stadt wie ein Hörspiel – Das fröhliche Treviso“ zum Nachhören bereitgestellt und darüber hinaus mit vielfältigem Fotomaterial und weiteren Hintergrundinfos flankiert.

Die Jury des Preises hat sich übrigens auch in diesem Jahr wieder aus sieben aktiv tätigen Journalisten zusammengesetzt: Neben den VDRJ Mitgliedern Sabine Loeprick, Rüdiger Edelmann und Holger Wetzel sind Frauke Oppenberg, Sabine Dahl, Detlef Löschmann und Liliane Mika in diesem Jahr mit von der Partie gewesen.

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