Männer, die auf Schiffe starren

VDRJ-Regiotreff Nord im Internationalen Maritimen Museum Hamburg (Bild: Karen Schmidt)

Schiff ahoi! Der VDRJ Regio Treff Nord nimmt Kurs auf das Internationale Maritime Museum Hamburg, wo wir tief in die Welt der Seefahrt eintauchen – erst unter Deck im Depot, dann auf den neun öffentlich zugänglichen Decks voller Schiffsmodelle, Geschichten und Seemannsträume. Ein Nachmittag voller Neugier, Nostalgie und der Frage: Warum üben Schiffe so eine magische Anziehungskraft aus?

Es gibt Dinge im Leben, die verstehe ich nicht sofort. Zum Beispiel: Männer, die stundenlang auf Schiffsmodelle starren können. Die ihr Leben den Schiffsmodellen und maritimen Memorabilia widmen. Genau diesen Männern begegnen wir beim VDRJ Regio Treff Nord im Internationalen Maritimen Museum Hamburg, mitten in der HafenCity. Ein Nachmittag, der uns vom exklusiven Blick hinter die Kulissen bis in die Tiefen der öffentlichen Ausstellung führt.

Trutzig liegt der Kaispeicher B am Wasser, fest vertäut in der HafenCity – seit 2008 beherbergt der historische Backsteinbau das Internationale Maritime Museum Hamburg und damit die weltweit größte maritime Privatsammlung, zusammengetragen von Peter Tamm senior.

„Wenn ich eine Geschichte brauchte, bin ich hier hin, so ein, zwei Mal im Monat. Und die hatten immer etwas!“, sagt Jens Meyer-Odewald, ehemaliger Kollege vom Hamburger Abendblatt und heute Pressesprecher des Internationalen Maritimen Museums.

Dort ist es offensichtlich: Die haben viel. Vor allem: Schiffe.

Hinter den Kulissen: Das Depot der Wunder

Kurator Gerrit Menzel
Kurator Gerrit Menzel (Bild: Kirsten Rick)

Kurator Gerrit Menzel öffnet für uns in die Schatzkammern des Museums – die Bibliothek mit ihren rund 40.000 Büchern und das Depot. Hier ruhen die wahren Juwelen der Sammlung – gut verstaut wie wertvolle Fracht: ein Brief mit der Original-Unterschrift von Lord Nelson. Porzellan von der Augusta Victoria, dem ersten Kreuzfahrtschiff, das Albert Ballin 1891 auf die Reise schickte – ein Stück Geschichte, das Karen Schmidt, Pressesprecherin von Hapag-Lloyd Cruises, sofort ins Auge fällt. Gemeinsam mit Alicia Kern (Gebeco) hat sie das Treffen organisiert. Danke dafür!

Um uns herum: Schiffe, Schiffe, Schiffe. Zwischen den großen und kleinen Modellen drängen sich, ganz vorsichtig natürlich, die weiteren TeilnehmerInnen des Regio Treffs: Wolfgang Polte, Marie-Chantal Tajdel, Dörte Behrmann, Wolfgang Stelljes, Uschi von Grudzinski, Leonie Stolze und ich. Charis Stank kam später dazu.

Besonders skurril ist die Speisekarte der Hamburg-Amerika-Linie von 1910: Schneekakadusuppe mit isländischem Moosgebackene Seehundsflossen mit QuallensauceSeekuhkäse und Elchbutter – Gerichte, die wohl eher humoristische Fantasien als reale Menüs waren. Zwischen den Regalen voller Schiffsmodelle und Objekten aus aller Welt atmen wir den Geist der Seefahrt: Es riecht nach einem indonesischen Nelkenschiff (aus Gewürznelken), Abenteuer und einem Hauch Geschichte.

Gespräch im Salon: Hanseatisches Willkommen

Von den stillen Tiefen des Depots wechseln wir in den gediegenen Salon des Museums. Bei Kaffee und Franzbrötchen empfangen uns Peter Tamm jr. und Jan Tersteegen, beide Vorstände des Museums, sowie Jens Meyer-Odewald, Pressesprecher.

Peter Tamm jr. erinnert an seinen Vater, Peter Tamm sr., dessen Sammelleidenschaft vor fast einem Jahrhundert mit einem kleinen Wiking-Küstenfrachter begann. Diese Leidenschaft wuchs zu einer Sammlung, die heute das Herz des Museums bildet – „fast manische Züge“ habe das Sammeln irgendwann angenommen, erzählt Tamm jr. mit einem Lächeln.

Die Sammlung wird ständig erweitert. „Einmal pro Tag bekommen wir eine E-Mail mit dem Inhalt: Wir wollen ihnen etwas zukommen lassen“, so Tersteegen. Etwa ein Konvolut pro Woche kommt dazu. In einem Außenlager werden auf 1000 Quadratmetern Kanonenkugeln, Anker und dergleichen gelagert. 

Wir fragen die drei Herren nach ihren Lieblingsstücken.

Peter Tamm jr. bleibt bei den Klassikern: „Tamm Nr. 1“, der Wiking-Küstenfrachter, mit dem alles begann, dazu das glänzende Goldschiff mit Platin-Takelung und Knochenschiffe, kunstvoll gefertigt von Kriegsgefangenen.

Jan Tersteegen entscheidet sich nicht für ein Objekt, sondern für das große Ganze: „Das gesamte Gebäude, der Museumsbetrieb, die Besucher – das ist für mich das Schönste.“

Jens Meyer-Odewald begeistert sich für die Werkstatt, wo Modellbauer alte Schätze restaurieren, und für die Schiffssimulatoren auf Deck 1: „Hier können Besucher ein Containerschiff steuern – unter Anleitung eines echten Kapitäns.“

Tamm betreibt auch noch den Koehler-Verlag. „Ideen für Buchprojekte“, sagt er, „sind willkommen.“ Also, Kollegen: geht da was?

Neun Decks voller See-Sucht

Anschließend schlendern wir durch Ausstellung, die sich über neun Decks erstreckt. Es ist eine maritime Welt- und Zeitreise: Von Modellen historischer Kriegsschiffe über Uniformen bis zu einem gigantischen Modell des Containerpiers von Bremerhaven, das dreieinhalb Jahre Bauzeit verschlungen hat. Von einem goldenen Schiff mit Platin-Takelage zu den „Knochenschiffen“, die von Kriegsgefangenen hergestellt wurden.

50.000 Miniaturmodelle und mehr als 100.000 Exponate zeigen die Entwicklung der Seefahrt.

Der Liber Nauticus ist ein Lehrbuch für Marinemalerei, das Künstlern half, Schiffe in verschiedenen Seesituationen zu zeichnen – ohne selbst an Bord gehen zu müssen.

Zwischen all diesen Schätzen bewegen wir uns wie Entdecker auf neuen Gewässern, immer begleitet von dieser einzigartigen Atmosphäre, die das Museum durchzieht. Hier vermischt sich die Sehnsucht nach der Weite des Meeres mit einer fast kindlichen Begeisterung für Details.

Männer und ihre Schiffe

Und trotzdem bleibt die Frage: Warum diese Faszination? Warum stehen Männer – und einige Frauen, ja, aber vor allem Männer – so hypnotisiert vor diesen Modellen? Vielleicht ist es die Sehnsucht nach der Ferne, vielleicht die pure Detailverliebtheit, vielleicht auch einfach ein bisschen kindliche Begeisterung.

Peter Tamm jr., der selbst gerne segelt und ein Jahr bei der Marine verbrachte, erklärte es so: „Auf dem Wasser muss man immer vorausdenken, immer mitdenken. Vielleicht macht das die Faszination aus.“

Ausklang 

Nach so viel Seefahrtsromantik lassen wir den Tag im Restaurant Kitchens ausklingen. Ein kleiner Spaziergang durch die HafenCity führt uns dorthin.

Und so gehen wir auseinander: Und so gehen wir auseinander: mit vollen Köpfen, vollen Mägen und der Erkenntnis, dass manche Schiffe mehr erzählen, als es auf den ersten Blick scheint.

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