Die Grande Dame der Unternehmenspresse – Zum Tod von Helen Freund

Helen Freund, Foto: Bernd Rimele
Helen Freund, Foto: Bernd Rimele

von Dagmar Gehm und Otto Deppe

Helen Freund war in der Reisebranche immer eine Ausnahmeerscheinung. Stets elegant gekleidet und mit einem Lorgnon, einer Stielbrille, „bewaffnet“, durch die sie ihr Gegenüber häufig intensiv unter die Lupe nahm. Sie stammte aus Hamburg und war durch und durch hanseatisch geprägt. Dort ist sie im Sommer des vergangenen Jahres auch gestorben. Die traurige Nachricht erreichte uns erst jetzt. Helen Freund war die „grande dame“ der touristischen Unternehmenspresse, Grund genug, sie als Ausnahmeerscheinung noch einmal zu würdigen.
Ihre Laufbahn begann in Wuppertal beim Studienreise-Veranstalter Dr. Tigges Fahrten. Sie war eine Bildungsbürgerin, und das prägte auch den Umgang mit den Medien. Laute und zu kumpelhafte Zeitgenossen unter den Journalisten strafte sie mit einem strengen Blick durch ihr Lorgnon. Da nahm sie keine Rücksicht auf Unternehmensinteressen. Sie passte einfach zu Dr. Tigges Fahrten, die sich selbst auch als elitär verstanden. Später kam der Veranstalter unter das Dach der TUI in Hannover, wo Helen Freund in der Riege der Pressesprecher immer eine Exotin blieb. Helen war einfach die „grande dame“, aber wer als Journalist von ihr akzeptiert wurde, erlebte eine aufgeschlossene und bestens informierte Gesprächspartnerin. Bei Pressereisen achtete sie darauf, dass sich ihre Gruppe ordentlich verhielt, ganz nach dem Motto des Firmengründers Dr. Hubert Tigges, der im Winter die zukünftigen Reiseteilnehmer in Seminaren darauf einstimmte, wie man sich als kulturell geprägter Mensch im Ausland zu verhalten hatte.
Das waren noch Zeiten, die auch Dagmar Gehm mit Helen erlebt hat: „Es gab keine Diskussion bei Helen. Nie. Sie war nicht immer einfach, die gute Helen. Oft total exaltiert, dann wieder mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, die das Gegenüber selbst bei glühender Tropenhitze zum Frösteln brachte. Wen sie mochte, der hatte relativ einfaches Spiel bei ihr, wen sie nicht mochte, dem gnade Gott! Wovon sie ihre Präferenzen abhängig machte, hat sich mir nie wirklich erschlossen. Zum Glück durfte ich mich in die erste Kategorie einreihen – auf den wenigen Reisen, die ich kurz vor ihrer Pensionierung mit ihr unternehmen durfte. Wenn auch mit deutlichen Abstrichen. Wenn ihr etwas nicht passte, hielt Helen damit nicht zurück.

Wie auf der Pressereise nach Sri Lanka. Nach einer längeren Besichtigungstour war am Ende des Vormittags ein informeller Lunch im Closenberg bei Galle angesetzt, einem schneeweißen Kolonialhotel aus dem 19. Jahrhundert. Ich trug, wie andere Kolleginnen auch, Bermuda-Shorts, die bis zum Knie reichten, und das Top war eines der geschlosseneren Modelle, um Helens gestrengem Blick standzuhalten. Wie ein Schulmädchen trat ich vor Helen, die mich von oben bis unten musterte, um dann mit empörter Stimme ein gedehntes: „Du willst doch nicht etwa so ins CLO-SEN-BERG gehen?“ von sich gab. Ich begriff gar nichts, wollte eigentlich einwerfen, dass es sich beim Closenberg nicht um ein Kloster handeln würde, wusste aber, dass eine Diskussion ins Leere laufen würde. Vielmehr: Es gab einfach keine Diskussion bei Helen. Nie!

Stattdessen wühlte ich meinen Koffer nach etwas Züchtigem durch und wickelte mich in einen landestypischen Lungi, den ich als Mitbringsel auf einem Markt erworben hatte. Dann drapierte ich noch ein überdimensionales Tuch über die Schultern. Unter den schrägen Blicken der Kollegen und der anderen Gäste im Closeneurg watschelte ich in den wallenden Tüchern ins Restaurant, passend gekleidet für alle Moscheen dieser Welt. Helen war zufrieden. Dass mein Garderobenwechsel im lockeren Ambiente zahlreicher leger gekleideter Reisegruppen völlig unnötig war, darüber verlor sie nie ein Wort nach dem Besuch im CLO-SEN-BERG.

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