Columbus Förderpreis für Junge Autoren: Kalle Harberg, Merian

Kalle Harberg: Das Haus des Nomaden

Erschienen auf merian.de

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Textauszug

Elias erzählte seine Geschichten mit einer Freude, die nur jemand haben kann, der hart dafür arbeiten musste, sie überhaupt auf Englisch erzählen zu können. Ich fragte und lernte viel. Elias erklärte mir, dass die Massai eine andere Vorstellung von Raum und Zeit haben. Für sie ist jeder Ort, der weniger als einen Tagesmarsch entfernt liegt, gleich um die Ecke. Wenn man sie fragt, wie weit es noch ist, antworten sie dann: „Wir sind ganz nah dran!“ Das Hirtenvolk habe ein Zählsystem für die letzten zehn Jahre, erzählte Elias, alles davor sei apa. Vor sehr langer Zeit. Die Massai glauben, dass die Welt apa von Engai Narok erschaffen wurde. Engai heißt Gott und Narok heißt schwarz. Vom Himmel ließ der schwarze Gott die Kühe mit einem langen Seil auf die Erde sausen und schenkte sie den Massai, weswegen die noch heute manchmal fremdes Vieh stehlen – eigentlich gehören alle Kühe rechtmäßig ihnen, glauben sie.

Er wollte so viel von mir wissen, wie ich von ihm. Elias fragte mich, was ich von Donald Trump hielt und was von Angela Merkel. Und einmal fragte er mich: Wo ist das Ende der Welt? Ich erzählte von einem Dorf am südlichsten Zipfel Patagoniens, in dem ich mich so weit weg von allem gefühlt hatte wie seitdem nie wieder – bis ich merkte, dass er die Frage nicht metaphorisch, sondern wörtlich meinte. Dass er zwar wusste, was auf der Welt passierte, aber nicht, wie sie aussah.

 

Begründung der Jury:

Der Nachwuchspreis geht an Kalle Harberg. Während eines zweimonatigen Rechercheaufenthalts in Tansania begegnet der stellvertretende Leiter des Merian-Ressorts Wissen dem Massai Elias. Trotz seiner anfänglichen Zweifel („Elias hätte mich entzwei brechen können.“) nimmt der 29-Jährige die Einladung an, seinen neuen Freund in dessen Dorf zu begleiten – zu Fuß, zwei Tage lang. Unterwegs trifft er auf Löwenspuren und eine Heilerin ohne Augen, führt endlose Gespräche. Und merkt bald, dass er nicht auf alles eine Antwort hat. Obwohl über das Nomadenvolk schon oft geschrieben wurde, „habe ich viel über die Modernisierung der Massai gelernt“, lobt Juror Merten Worthmann das Produkt der Zufallsbegegnung. Der besondere, ungeplante Blick hinter die Kulissen sei es schließlich, der die merian.de-Reportage auszeichnet, sagt Jury-Mitglied Philipp Laage: „Auf eine angenehm nicht-effekthascherische Art gibt der Text der Kultur viel Raum.“

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